Volltext: Conrad von Hötzendorf

FÜRSTENBESUCH IN DEN REICHSLANDEN 
Die Ermordung des Thronfolgers 
Das hohe Alter des Kaisers Franz Joseph und seine sich im¬ 
mer häufiger wiederholenden Unpäßlichkeiten hatten zur Folge, 
daß der Erbe des Thrones immer stärker in den Vordergrund 
trat. Der Erzherzog empfand das begreifliche Bedürfnis, die dem 
Reiche neueinverleibten Provinzen Bosnien und die Herzegowina 
zu besuchen, um die Bande der Zusammengehörigkeit zwischen 
dem Herrscherhaus und der Bevölkerung enger zu knüpfen. 
Der Landeschef von Bosnien, Feldzeugmeister Potiorek, war 
ein warmer Förderer des Fürstenbesuches., weil er sich davon 
eine Stärkung der loyalen Elemente versprach. Die Wirkung 
einer Reise unter Entfaltung eines Pompes auf die Mohammeda¬ 
ner war als Gegengewicht gegen die serbische Wühlarbeit nicht 
zu unterschätzen. Während der Annexionskrise hatte die poli¬ 
tische Spannung den Besuch nicht rätlich erscheinen lassen und 
während des Balkankrieges war die Monarchie gezwungen ge¬ 
wesen, in den Reichslanden militärische Bereitschaft zu halten. 
Erst im Winter 1913/14, als auf dem Balkan vorübergehend Ruhe 
eingekehrt war, konnte an die Ausführung des Besuches ge¬ 
dacht werden. 
Die Nachricht, daß Erzherzog Franz Ferdinand beabsichtige, 
mit seiner Gemahlin im Anschluß an militärische Übungen sei¬ 
nen feierlichen Einzug m Sarajevo zu halten, löste in Serbien 
einen Sturm der Entrüstung aus. Man unterschätzte dort nicht 
die innerpolitischen Rückwirkungen einer solchen Reise und ver¬ 
schloß sich nicht den Folgen, die den großserbischen Interessen 
aus einer Stärkung der vaterlandstreuen Bevölkerung erwuchsen 
— der Besuch mußte um jeden Preis vereitelt werden. Wieder 
brach eine maßlose Hetze in der Presse und eine wütende Agi¬ 
tation im ganzen Lande aus, die begründete Sorge um die Sicher¬ 
heit des Thronfolgers auslösen mußte. 
Unausgesetzt liefen im Evidenzbüro Meldungen der Kund¬ 
schaftssteilen ein, die von Drohungen und Warnungen berich¬ 
teten, den Besuch in Bosnien zu unterlassen, über den Befehl Con¬ 
rads wurden alle Nachrichten der Militärkanzlei des Erzherzogs 
zur Einsicht übermittelt. 
Die aus solcher Stimmung erwachsenden Gefahren lösten bei 
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