Volltext: Conrad von Hötzendorf

VORKÄMPFER FÜR FREIHEIT UND FORTSCHRITT 
kische Bewegung gereift. Nach der Annahme des kon¬ 
stitutionellen Regierungssystems in Montenegro war die Türkei 
als letzter autokratisch regierter Staat in Europa übriggeblieben. 
Die Zahl der Unzufriedenen, die den Sturz der Willkürherrschaft 
und eine Erneuerung des durch Erstarrung und Bestechung bis 
ins Mark faulen Staatswesens herbeisehnten, hatte gewaltig zu¬ 
genommen. 
Mahmud, des Sultans eigener Schwager, leitete nach geglückter 
Flucht aus dem Lande seit Jahren von Paris aus die Tätigkeit 
des jungtürkischen Komitees, das daselbst, dann in London, Rom, 
Genf, Kairo sehr rührige Propagandastellen und innerhalb der 
Türkei nahezu an allen Orten verläßliche Vertrauensmänner be¬ 
saß. Als solche hatte man vielfach auch jüngere Offiziere zu ge¬ 
winnen gewußt, namentlich solche, die zu höherer Ausbildung 
in fremde Heere und zur Marine abkommandiert waren und 
mit offenen Augen den kulturellen und wirtschaftlichen Auf¬ 
schwung der westeuropäischen Staaten verfolgt hatten und, er¬ 
füllt von Sehnsucht nach Geistesfreiheit und abendländischer 
Kultur, in die Heimat zurückgekehrt waren. Sie waren die Träger 
der Reformpläne, für deren Verwirklichung sie auch ihr Leben 
zu opfern bereit waren. 
Unter den Verschwörern gab es auch Abtrünnige und Doppel¬ 
spieler, so daß es der Geheimpolizei des Sultans, unter der 
skrupellosen Leitung Achmet Djellaheddin Paschas, in vielen 
Fällen gelang, vereinzelte Fäden aufzuspüren, Schuldige und Un¬ 
schuldige festzunehmen, deren weiteres Schicksal zumeist in völ¬ 
liges Dunkel gehüllt blieb. Viele Hunderte jungtürkischer Vor¬ 
kämpfer mußten den vorschnellen Wunsch nach Freiheit und 
Fortschritt, ja selbst den unbedacht laut gewordenen Gedanken 
daran mit dem Leben bezahlen, bevor die Frucht der geheimen 
Saat zur Reife gelangte. 
Die jungtürkischen Offiziere suchten in ihrem Streben, mit 
der Kultur des Westens Fühlung zu nehmen, vielfach den geisti¬ 
gen und kameradschaftlichen Verkehr mit den Reformoffizieren, 
besonders mit denen Österreich-Ungarns. Diese kamen ihnen 
freundschaftlich entgegen und bemühten sich, ihre Sprache zu 
erlernen, ihre Sitten und Gebräuche zu achten. 
Die ersten Anzeichen der jungtürkischen Bewegung zeigten 
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