Volltext: Conrad von Hötzendorf

KENNTNIS DER FREMDEN WEHRMÄCHTE 
vordenkend dort die Personalfrage geregelt war, zeigt zum Bei¬ 
spiel die Tatsache, daß die Evidenzführimg der großen feind¬ 
lichen Lagerfestungen je einem Stabsoffizier des Generalstabes 
oblag, der im Kriegsfall als Stabschef der diese Festung angrei¬ 
fenden Heeresgruppe in Aussicht genommen war. Berücksichtigt 
man, daß die Monarchie zu drei Vierteilen an Feindesstaaten 
grenzte, die Abwehr der nationalen Propaganda und der feind¬ 
lichen Spionage daher außerordentlich wichtig wurde, so ergibt 
sich der Umfang der Aufgaben, die dem k. u. k. Evidenzbüro 
in den fünf Jahren politischer Hochspannung vor dem Kriege 
erwuchsen. 
Conrad beschäftigte sich unausgesetzt mit den Vorbereitungen 
für alle möglichen Kriegsfälle. Die Schaffung der Grundlagen 
für diese Erwägungen stellte hohe Anforderungen an die Evi¬ 
denzgruppen; sie hatten oft über Nacht ein von Conrad gefor¬ 
dertes umfangreiches Elaborat fertigzustellen. 
Dem Evidenzbüro oblag auch die Orientierung der Militär¬ 
kanzleien des Kaisers und Thronfolgers, des Kriegs- und Außen¬ 
ministeriums über die laufenden kriegerischen Ereignisse, womit 
die Jahre 1908 bis 1914 reichlich ausgefüllt waren. 
Die Kenntnis der fremden Wehrmächte wurde durch eine 
mühselige, fleißige Sammelarbeit auch scheinbar minderwertiger 
Daten dauernd erweitert. Dies geschah durch fachmännische 
Verarbeitung aller erlangbaren Dienstvorschriften, durch Verfol¬ 
gen der militärischen Fachpresse, der Tagesliteratur (im Evi¬ 
denzbüro wurden im Tag etwa 70 fremdländische Zeitungen ge¬ 
lesen) und der Verhandlungen in den gesetzgebenden Körper¬ 
schaften, insbesondere zur Zeit der Budgetberatungen. Eine sehr 
wertvolle Quelle für den Evidenzdienst waren die Berichte der 
Militär- und sonstigen Fachattaches bei den Auslandsvertretun¬ 
gen. Diese Offiziere haben in vorbildlicher Pflichttreue aus¬ 
nahmslos Hervorragendes geleistet und dadurch wesentlich dazu 
beigetragen, daß der Chef des Generalstabes nicht nur über die 
rein militärischen Angelegenheiten unterrichtet war, sondern 
auch außenpolitische Fragen fachmännisch beleuchtet sah. 
Dem Chef des Evidenzbüros oblag die Auswahl der Militär¬ 
attaches und deren Unterweisung über ihre Aufgaben. Die vor¬ 
nehme Einstellung des Kaisers Franz Joseph schloß jede aktive 
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