Volltext: Conrad von Hötzendorf

EMPFANG IN BERLIN 
Wie weit Conrads Ruf auch in die Bevölkerung gedrungen war, 
bewies der rege Anteil der Presse an diesem Wechsel in der 
Leitung des Generalstabes. Alle Urteile gipfelten in der Auf¬ 
fassung, daß Kaiser Franz Josef den richtigen Mann an diese 
wichtige Stelle berufen hatte. Mit besonderer Genugtuung wurde 
diese Berufung auch im verbündeten Deutschen Reiche auf ge¬ 
nommen. Conrad war auch dort durch seine militärwissenschaft¬ 
lichen Arbeiten bekannt; namentlich seine Richtlinien für die 
Ausbildung der Infanterie hatten in deutschen Offizierskreisen 
weite Verbreitung gefunden. Der Ruf als „Feind der Paraden“ 
war Conrad vorausgeeilt, als er in Berlin seinen Antrittsbesuch 
als Chef des Generalstabes abstattete. Kaiser Wilhelm II. trug 
dieser Einstellung in sehr feinfühlender Weise Rechnung. Dem 
Generalstabschef der verbündeten Macht sollte außer den nicht 
zu umgehenden Paraden als besonderer Programmpunkt eine 
Gefechtsübung mit Gegenseitigkeit vorgeführt werden. 
Während die 2. Gardeinfanteriebrigade in die Ausgangssituation 
marschierte, wurden bei der auf dem Döberitzer Exerzierfelde 
versammelten 1. Gardeinfanteriebrigade von den Truppenkom¬ 
mandanten kleine Führungsaufgaben gestellt, wie sie Conrad 
in seinem Behelf für die Ausbildung der Infanterie empfohlen 
hatte. 
Als der Zeitpunkt für den Beginn der Übung gekommen war, 
erbat sich der Kaiser das Kommando der 1. Brigade. Er verlas 
die Annahme, erteilte die Disposition und führte das Brigade¬ 
kommando bis zum Schluß der Übung. Nach der Kritik des 
Übungsleiters, des Kommandeurs der 1. Gardeinfanteriedivision, 
wendete sich der Kaiser an Conrad, den er als ersten Fachmann 
* auf dem Gebiete der Taktik ansprach, mit der Bitte, auch sein 
Urteil über den Verlauf der Übung abzugeben. Conrad hat mit 
dem ungeteilten Lobe nicht zurückgehalten, seinen Referenten 
gegenüber aber stets auf das vorzügliche, ausgesuchte Soldaten¬ 
material der Garderegimenter hingewiesen, von dem man beides 
— Gefechtsausbildung und Paraden — verlangen konnte, ohne 
die erstere zu beeinträchtigen. 
Als Chef des Evidenzbüros, dessen Aufgabe auch in der Be¬ 
urteilung der fremden Wehrmächte bestand, mußte ich den 
Generalstabschef wiederholt darauf aufmerksam machen, daß in 
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