Volltext: Der Staatsvertrag von St. Germain

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Drgleitnotc zu den Friedensbedingungen 
vom 2. September 1919. 
Seiner E^rllrn; Herrn Dr. Renner! 
Vorsitzenden der österreichischen Delegation irr Sk. Germain-en-Laye. 
Paris, '2. September 191S. 
Herr Präsident! 
Die alliierten und assoziierten Mächte haben mit größter Sorgfalt jene Bemerkungen geprüft, dir 
von der österreichischen Delegation bezüglich des Entwurfes des Friedensvertrages vorgebracht wurden. 
1. Die in der Antwort der österreichischen Delegation erhobenen Einwendungen gegen den Entwurf 
gründen sich auf die Tatsache, daß Österreich angesichts der Auflösung der österreichisch-ungarischen 
Monarchie in keiner Richtung als ein feindlicher Staat behandelt werden dürfe und daß man ihm 
infolgedessen in keiner Weise Lasten der Wiedergutmachungen auferlegen könne, die sicherlich der österreichisch¬ 
ungarischen Monarchie auferlegt worden wären, wenn sie nicht aufgehört hätte, zu bestehen. 
Diese Bemerkungen entsprechen einer grundsätzlich falschen Auffassung über die Verantwortlichkeiten 
des österreichischen Volkes. Die alliierten und assoziierten Mächte halten es daher für notwendig, so 
kurz als möglich die Grundsätze zu bezeichnen, die nach ihrer Ansicht zur Beilegung des Krieges, der 
eben zu Ende gegangen ist, in bezug auf Österreich angewendet werden müssen. Das österreichische Volk 
teilt in weitem Umfange mit seinem Nachbar, dem ungarischen Volke, die Verantwortlichkeit für die 
Übel, unter denen Europa während der letzten fünf Jahre gelitten hat. Der Krieg ist mit Überstürzung 
hervorgerufen worden durch das Ultimatum, das die Wiener Regierung an Serbien gerichtet hat, indem' 
sie innerhalb der Frist von 48 Stunden die Annahme einer Reihe von Forderungeil gefordert hat, die 
in ihrem Erfolge die Unabhängigkeit eines benachbarten souveränen Staates verrichtet hätten. Die 
königliche serbische Regierung hat innerhalb der vorgeschriebenen Frist alle diese Forderungen mit 
Ausnahme jener angenommen, die begrifflich den Verzicht auf ihre Unabhängigkeit in sich geschlossen 
hätten. Nichtsdestoweniger hat die österreichisch-ungarische Regierung alle Berhandlungsvorschläge und 
alle Bersöhnungsairbote auf Grundlage dieser Antwort zurückgestoßen, die Feindseligkeiten gegen Serbien 
sofort eröffnet, und auf diese Weise wohlüberlegt einen Weg eingeschlagen, der geradezu zum Weltkriege 
führte. Es ist jetzt offenbar, daß dieses Ultimatum nur ein scheinheiliger Vorwand war, um einen Krieg 
zu beginnen, den die frühere autokratische Regierung im engen Einvernehmen mit den Machthabern 
Deutschlands von langer Hand vorbereite,t hatte und für den sie den Augenblick für gekonimen erachtete. 
Die Anwesenheit österreichischer Kanonen bei den Belagerungen von Lüttich und Namur ist ein weiterer 
Beweis, sofern ein solcher notwendig wäre, um den engen Zusammenschluß der Wiener Regierung mit 
der Regierung von Berlin in ihrem Bündnisse gegen das öffentliche Recht und die Freiheit Europas zu 
beweisen. 
Die österreichische Delegation scheint zu meinen, daß die Verantwortlichkeit für diese Handlungen 
ausschließlich der habsburgischen Dynastie und ihren Satelliten zur Last fallt. Nach dieser Meinung 
könnte sich das österreichische Volk infolge des Zusammenbruches der Monarchie unter den Schlägen der
	        
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