Volltext: Der Staatsvertrag von St. Germain

nach Ansicht der alliierten und assoziierten Mächte die beste Lösung, Italien die natürliche Grenze der 
Alpen zuzugestehen, die es seit so langer Zeit fordert. 
5. Die alliierten und assoziierten Mächte wollen noch der österreichischen Delegation in Erinnerung 
bringen, daß der Friedensvertrag besondere Bestimmungen über den Schutz kleiner Gemeinwesen wie das 
neue Österreich enthält. Es wird von nun an den mächtigen Reichen nicht mehr möglich sein, ungestraft 
das politische und wirtschaftliche Leben ihrer schwächeren Nachbarn zu bedrohen. Die Bestimmungen 
bezüglich der Häsen, der Wasserstraßen und Eisenbahnen sichern Österreich unter dem Schutze inter¬ 
nationaler Sanktionen den Zugang zum Meere zu Land und zu Wasser. 
Die Klauseln, betreffend die Arbeitsgesetzgebung, werden dazu beitragen, die Rechte der Arbeiter- 
bevölkerung zu schützen und ihre Existenzbedingungen zu bessern. Die Verträge, betreffend die Minder¬ 
heiten, werden die religiösen, politischen und sprachlichen Rechte jener Minoritäten schützen, die infolge 
des Friedensvertrages einer anderen Staatshoheit unterworfen werden. Der Völkerbund, von dem die 
alliierten und assoziierten Mächte hoffen, daß die österreichische Republik in' einem sehr nahen Zeitpunkte 
darin aufgenommen toerden wird, ist nicht nur der Schützer der Rechte und Freiheiten Österreichs. Er 
wird nicht nur die Rechte aller Signatarstaaten des Vertrages schützen; er bildet auch den Organismus, 
demzufolge in Ruhe und Gesetzlichkeit alle Regelungen zustande kommen können, die bei Regelung des 
Friedens die Ereignisse oder neue Umstände notwendig machen sollten. Dieser Charakter der vorgeschlagenen 
Regelung darf nicht außer acht gelassen werden. 
6. Zusammenfassend wollen die alliierten und assoziierten Mächte klar zum Ausdruck bringen, 
däß die Änderungen, die sie jetzt am Friedensvertrag vorgenommen haben, endgültig sind. Sie wollen 
überdies erklären, daß, wenn sie nicht im einzelnen auf alle Punkte der Antivort der deutschösterreichischen 
Delegation eingegangen sind, dies nicht seinen Grund darin hat, daß sie sie nicht sorgfältig geprüft 
hätten. Das Fehlen einer Antwort bringt aber auch nicht zum Ausdruck, daß die vorgebrachten Beschwerden 
angenommen oder gebilligt worden waren. Ebensowenig darf die gegenwärtige oder eine frühere Antwort 
als eine authentische Auslegung des Friedensvertrages betrachtet werden. Der Text, den >vir Ihnen 
heute als Folge jenes vom 20. Juli übersenden, welch letzterer schon beträchtliche Änderungen gegenüber 
dem Originaltext vom 2. Juni enthielt, muß angenommen oder abgelehnt werde». Infolgedessen erwarten 
die alliierten und assoziierten Mächte von der österreichischen Delegation innerhalb von fünf Tagen vom 
Zeitpunkt der gegenwärtigen Mitteilung an eine Erklärung, die ihnen zur Kenntnis bringt, daß sie 
bereit ist, den Vertrag, so wie er ist, zu unterfertigen. 
Sobald diese Erklärung den alliierten und assoziierten Mächten zugekommen sein wird, werden 
Verfügungen getroffen werden, um den Frieden sofort in Saint-Germain unterfertigen zu lassen. 
Mangels einer solchen Erklärung innerhalb der oben bezeichneten Frist wird der am 3. No¬ 
vember 1918 abgeschlossene Waffenstillstand als beendet betrachtet und die alliierten und assoziierten 
Mächte werden alle Maßnahmen treffen, die sie für notwendig halten, um ihre Bedingungen zwangs¬ 
weise durchzusetzen. 
Wollen Herr Präsident die Versicherung meiner Hochachtung genehmigen.. . 
JP. S. In Durchführung des Artikels 179 der Friedensbedingungen mit Österreich wird die 
Reparationskommission ermächtigt sein, der für Spezialfragen bestellten Kommission gewisse Befugnisse, 
die sie für wünschenswert erachtet, zu übertragen. Infolgedessen wird die Kommission Instruktionen 
erhalten, damit die Spezialkourmission sich regelmäßig in Wien vereine, und zwar in kürzester Frist nach 
Inkrafttreten des Vertrages. Diese Kommission wird in allem, was das Studiunl der Hilfsquellen und 
der Leistungsfähigkeit betrifft, als Vertreter der Reparativiiskommission handeln. Sie wird alle Auskünfte 
entgegennehmen, die sie benötigen sollte und die im Artikel 182 der Friedensbedingungen vorgesehen 
sind. Sie wird beauftragt sein, alle von Österreich über die Fragen seiner Zahlungsfähigkeit vorgebrachten 
Argumente und Zeugenschaften anzuhören (Annex 2 des Teiles 8). Um die Vorweisung dieser Urkunden 
und Zeugenschaften zu erleichtern, wird Österreich bei der Sektion durch einen Kommissär vertreten sein, 
der zu den Sitzungen der Sektion berufen wird, so oft sie es für notwendig hält, der aber kein Stimm¬ 
recht hat. 
Die Sektion wird beauftragr sein, die Finanzgebarung zu verfolgen und zwischen den interessierten 
Regierungen unter den im Artikel 212 bezeichneten Bedingungen zu intervenieren sowie auf Verlangen 
der interessierten Regierungen die Schiedsrichter zu bezeichnen.
	        
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