Volltext: Österreichisch-ungarisches Rotbuch

1. 
Legationsrat Ritter von Storck an Graf Berchtold. 
Belgrad, 29. Juni 1914. 
Wir alle stehen noch immer derart unter dem erschüttern¬ 
den Eindruck der gestrigen Katastrophe, daß es mir schwer 
fällt, mit der nötigen Fassung, Sachlichkeit und Ruhe das 
blutige Drama in Sarajevo von hier aus entsprechend zu be¬ 
urteilen. Ich bitte daher, mich vorläufig auf die Registrierung 
einiger Tatsachen beschränken zu dürfen. 
Gestern — den 15./28. — wurde der Jahrestag der Schlacht 
am Amselfelde festlicher als sonst begangen und der serbische 
Patriot Milos Obilic gefeiert, der 1389 mit zwei Gefährten den 
siegreichen Murad meuchlings erstochen hat. 
Wo Serben leben, gilt Obili6 als der Nationalheros. An 
die Stelle der Türken sind aber — dank der unter der Ägyde 
der königlichen Regierung gezüchteten Propaganda und der 
seit Jahren betriebenen Preßhetze — nunmehr wir als die 
Erbfeinde getreten. 
Den drei jugendlichen Sarajevoer Attentätern Princip, 
Cabrinovic und dem dritten unbekannten Bombenwerfer scheint 
daher eine Wiederholung des Dramas auf dem Kossovopolje 
vorgeschwebt zu haben. Sie haben noch eine unschuldige 
Frau miterschossen und mögen glauben, damit ihr Vorbild 
noch übertroffen zu haben. 
Jahrelang ist in Serbien Haß gegen die Monarchie gesät 
worden. Die Saat ist aufgegangen und Mord ward geerntet. 
Die serbische Regierung hat auf die zirka 5 Uhr nach¬ 
mittags bekanntgewordene Nachricht hin die Obilic-Feier um 
10 Uhr abends offiziell abstoppen lassen; inoffiziell und in der 
Dunkelheit hat sie aber noch geraume Zeit weiter gedauert.
	        
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