Volltext: Józef Piłsudski Militärische Vorlesungen (Band III / 1936)

DER OBERSTE FELDHERR IN THEORIE UND PRAXIS 
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gestalten verbindet und kennzeichnet: ein guter Feldherr 
muß auf die Menschen Eindruck machen, muß sie mitrei¬ 
ßen können; wenn er das nicht kann, vermag er kein gu¬ 
ter Feldherr zu sein. Ohne diese innere Eigenschaft, die 
ihm die Macht des Befehlens gibt, wird er niemals so tief 
ins Innere der Seele greifen können, um ohne Hemmungen 
Gehorsam bis in den Tod zu fordern. 
II. 
Ich habe die Hauptmerkmale der Führerschaft aufge¬ 
zählt: die Notwendigkeit der Stetigkeit im Befehl und stän¬ 
dige Berechnungen der Kräfte des eigenen Staates wie auch 
des Gegners. Fügen wir die riesige Last der Verantwortung 
hinzu, welche den Obersten Feldherrn verzehrt, der wie in 
einem Kurzschluß lebt, fügen wir weiter hinzu, daß er 
nicht nur verstehen muß, Feuerbrände zu entfachen, son¬ 
dern auch in dieser Feuersbrunst — wie ein Salamander — 
unversehrt zu bleiben, so werden wir die Wahrheit in ihrer 
ganzen Schwere über die Oberste Führung im Kriege in 
den Hauptzügen zusammengefaßt haben. Die Kriegswissen¬ 
schaft beleuchtet die Wahrheit immer so und übermittelt 
sie in dieser Gestalt. 
Doch ich will auch die Kehrseite der Wissenschaft be¬ 
rühren. Jede Theorie hat ihre Übertreibungen, in der 
einen oder der anderen Richtung, auf der Plus- oder der 
Minusseite. Um Ihnen die Sache begreiflicher zu machen, 
wie solche Übertreibungen entstehen und wie sie sich aus¬ 
wirken, will ich Ihnen Beispiele theoretischer Übertreibun¬ 
gen aus einem anderen Gebiet anführen. 
Ich habe kürzlich mit jemand gesprochen, der Theorien 
über die Tugend der Offenherzigkeit aufstellte. Als ich ihm
	        
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