ABRISS DER MILITÄRGESCHICHTE DES JANUAR-AUFSTANDES 105
Wirkung gehabt. Hier sieht man den mächtigen Einfluß der
menschlichen Gedanken auf dem Gebiet der Kriegführung
und kann feststellen, wie diese Gedanken im tatsächlichen
Kriegsgeschehen ihren Ausdruck finden. Wir wollen noch
bemerken, daß die Lubliner Wojewodschaft, welche die
meisten Verschworenen hatte, ohne einen Anführer nur
einen Überfall aufweist. In den Wojewodschaften Maso-
wien und Kielce, wo es an Führern fehlte, kam es gar nicht
zu Überfällen. Die vorangegangenen Vorbereitungen liefern
auch entsprechende Ergebnisse. Der Mangel an Vorberei¬
tung aber führt eben zu so nachteiligen Folgen, wie es die
erwähnten waren.
Fünfte Vorlesung
(3. Mai 1912)
In meiner vorigen Vorlesung habe ich den überaus
schwachen Vorstoß beschrieben, den der Aufstand unter¬
nahm. Ich möchte aber einzelnen Fragen, welche die Ja¬
nuarnacht betreffen, etwas mehr Aufmerksamkeit widmen.
Vor allem will ich eine sehr wertvolle Eigenschaft auf sei¬
ten der Aufständischen hervorheben, die — so Gott will —
auch bei allen polnischen Revolutionären vorhanden sein
möge.
Wenn es sich um eine Überrumpelung handelt, so ist es
wichtig, daß das Geheimnis gewahrt bleibt. In dieser Hin¬
sicht war die sittliche Einstellung außergewöhnlich. Obwohl
Zehntausende von Menschen um die Nacht des 22. Januar
wußten, so gelangte doch keine Nachricht davon zum Feind,
und in jedem einzelnen Fall war der Ausbruch für ihn eine
Überraschung. Diese Fähigkeit, ein Geheimnis zu bewah¬
ren, zeugt von einem hohen sittlichen Gefühl, das den Auf¬
stand des Jahres 1863 beseelte.