Volltext: Sammlung von Nachweisen für die Verletzungen des Völkerrechtes durch die mit Österreich-Ungarn Krieg führenden Staaten [Hauptbd.] ; ([Hauptbd.] ; 1915)

In der Nacht vom 12. auf 13. August erschien um 3 Uhr früh eine 
polizeiliche Kommission, welche im Namen des Gesetzes Einlaß in unser Zimmer 
verlangte. Die Kommission bestand aus einem Polizeirittmeister und vier 
Chargen; beigezogen waren der Hoteldirektor und männliche und weibliche 
Hotelbedienstete. Der Polizeirittmeister las mir ein Prikas der Geheimpolizei 
vor, laut welches er meine und meiner Frau Effekten zu durchsuchen und uns 
eventuell zu verhaften beauftragt war. 
Ich erklärte, daß ich gegen die Untersuchung unserer Effekten protestiere, 
aber der Gewalt weiche. Es wurden von den Polizeiorganen meine gesamten 
Papiere und Briefschaften geprüft und die Koffer durchwühlt. Der Kommissions 
leiter stellte seine Fragen, welche sich auf meinen Aufenthalt in Moskau, auf 
meine und meiner Frau Verwandte usw. bezogen, an Hand eines geschrie 
benen Fragebogens. Nach anderthalbstündiger resultatloser Untersuchung er 
klärte der Polizeirittmeister, daß er uns derzeit auf freiem Fuße belasse. Ich 
erklärte ihm meinerseits, daß ich gegen die Vornahme der Untersuchung im 
Wege der amerikanischen Botschaft Beschwerde führen werde. 
Wenige Stunden später teilte ich Herrn Wilson den Vorfall mit und bat 
ihn, bei Herrn Sassonow energisch gegen dieses Vorgehen zu protestieren und 
bei dieser Gelegenheit neuerlich wegen unserer Weiterreise vorstellig zu werden. 
Herr Wilson gab mir am Nachmittag bekannt, daß seine Vorstellungen im 
Ministerium eine ablehnende Aufnahme gefunden hätten und daß Herr Sassonow 
sich auf den Standpunkt stelle, er könne in unserer Angelegenheit nicht inter 
venieren, weil der Kriegsminister an der Verweigerung der Bewilligung zur Abreise 
festhalte. Gleichzeitig teilte mir Herr Wilson mit, daß er im Ministerium des 
Äußern den Eindruck gewonnen habe, daß trotz des negativen Resultates 
der Durchsuchung meiner Effekten meine Verhaftung unter irgendeinem Vor 
wände bevorstehe. Unter dieser nichts Gutes verheißenden Aussicht vergingen 
endlos langsam die nächsten Tage und Nächte. Die ganze Konstellation deutete 
darauf hin, daß ich zum mindesten als Kriegsgefangener zurückbehalten werden 
würde, und der Umstand, daß auch die Petersburger Presse, durch irgend 
jemanden aufmerksam gemacht, sich mit meiner Wenigkeit beschäftigte, konnte 
keinen beruhigenden Eindruck machen. 
Auf die fortwährenden Vorstellungen Herrn Wilsons erklärte schließlich 
Herr Sassonow, daß er zunächst eine amtliche Auskunft haben müsse, ob alle 
russischen Konsuln Österreich-Ungarn verlassen hätten, weil erst dann über 
unser Los entschieden werden könne. Als -aber dann das Telegramm der 
amerikanischen Botschaft in Wien eintraf, laut welches keiner der russischen 
Konsuln am Verlassen der Monarchie gehindert worden war, stellte sich Herr 
Sassonow wieder auf den Standpunkt, daß in dieser Frage nur das Kriegs- 
ministeriunU' 1 kompetent sei. Erst auf die weitere Nachricht, daß die k. u. k. 
Regierung gegebenenfalls die noch in Österreich-Ungarn befindlichen Russen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.