Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Während es seinerzeit möglich gewesen wäre, die aus natürlichen 
Interessengegensätzen resultierenden, also unvermeidlichen, damals noch 
wenig vorbereiteten Gegner einzeln nacheinander niederzuwerfen und 
dadurch einer eigenen aktiven Politik die Bahn frei zu machen, wird die 
Monarchie in Hinkunft gefaßt sein müssen, von allen diesen Gegnern 
gleichzeitig bedroht zu sein, und diese weit besser gerüstet sich gegen¬ 
über zu sehen, als dies früher der Fall war. Dabei ist vor allem nicht 
zu übersehen, daß Rußland nunmehr unter der festen Hand des Generals 
Suchomlinow seine militärische Regeneration zielbewußt betreibt und 
zweifellos jetzt schon als achtunggebietender Gegner in die Wage fällt. 
Ein mehrseits bedrohter Staat von beschränkten militärischen Mitteln 
kann nur in einer aktiven Kriegspolitik sein Heil finden, welche darauf 
abzielt, seine natürlichen Gegner nacheinander und zu jenem Zeitpunkt 
niederzuwerfen, der ihm der günstigste erscheint, und für welchen er sich 
zielbewußt vorbereitet hat; ansonsten läuft er Gefahr, von allen Gegnern 
gleichzeitig und in einem ihm ungelegenen Moment angegriffen zu werden. 
In diesem Sinne ist der Krieg nicht lediglich Mittel der Politik, 
sondern er ist selbst Politik 
Die für die Kriegsmacht ausgelegten Summen sind verlorenes Geld, 
wenn der Gebrauch der Kriegsmacht zur Erringung politischer Vorteile 
ausbleibt. Für manche der letzteren mag die bloße Drohung genügen 
und sich die Kriegsmacht hiedurch verwerten, andere aber sind doch 
nur zu erreichen durch den kriegerischen Gebrauch der Kriegsmacht 
selbst, also durch den rechtzeitig geführten Krieg; wird dieser versäumt, 
so bleibt das Kapital verloren. In diesem Sinne wird der Krieg zu einem 
großen finanziellen Unternehmen des Staates. 
Nur falsch verstandene Clausewitzsche Theorien (und diese wurden 
mir seitens des Ministers des Äußern entgegengehalten) können zu einer 
gegenteiligen Auffassung gelangen. In der Heimat dieses scharfdenkenden 
Kriegsphilosophen hat man dessen Theorien klar erfaßt, sie sind in den 
zielbewußt gewollten und vorbereiteten, dann zeitgerecht herbeigeführten 
Kriegen von 1866 und 1870/71 praktisch zum Ausdruck gekommen, und 
das gelehrige Japan dankte dem gleichen Vorgang seine überraschenden 
Erfolge gegen Rußland. 
Da nun aber von einer solchen Kriegspolitik abgesehen und damit 
die Möglichkeit geschaffen wurde, sich von mehreren, um ihre Kriegs¬ 
vorbereitung eifrigst und erfolgreich bemühten Gegnern gleichzeitig 
bedroht zu sehen, so erübrigt nur, mit allergrößter Energie und rück¬ 
sichtsloser Aufwendung der hiezu nötigen Mittel an die Ausgestaltung 
und Besserung unserer, hinter unseren Gegnern zurückgebliebenen 
Wehrmacht zu schreiten, dabei das jetzige schleppende, zu keinem 
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