Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

General d. Inf. Br. Conrad. 
Denkschrift 
über die militär-politische Lage und deren Konsequenzen hinsichtlich 
Ausgestaltung der bewaffneten Macht. 
Wien, am 31. Oktober 1910. 
Euer Majestät geruhten in den Vorjahren verschiedene meinerseits 
verfaßte Denkschriften allergnädigst entgegenzunehmen, in denen ich 
jene Anschauungen niedergelegt habe, welche mir bestimmend für die 
mir obliegenden konkreten Kriegsvorbereitungsarbeiten und die damit 
im Zusammenhang stehenden organisatorischen und sonstigen Anträge 
erschienen. 
Geruhen Euer Majestät allergnädigst zu genehmigen, daß ich mich 
auf diese meine Denkschriften auch heuer berufe und in möglichster 
Kürze die Hauptgrundzüge hervorhebe, welche mich bezüglich der 
gedachten Arbeiten auch dermalen leiten; es sind dies folgende: 
Als politische Grundlage für die militärischen Vorbereitungen können 
nicht die momentanen politischen, häufig nur auf einzelne Persönlich¬ 
keiten oder Parteien gegründeten Konstellationen genommen werden, weil 
mit dem jederzeit möglichen Wechsel dieser Parteien oder Personen auch 
die Konstellationen plötzlich sich ändern; die fallweisen diplomatischen 
Abmachungen können daher auch keine Basis für die militärischen Vor¬ 
sorgen bilden. 
Letztere bedingen eine weit voraussehende, alle im Bereich der Mög¬ 
lichkeit liegenden Konstellationen in Betracht ziehende und für jede 
derselben alles Nötige vorsehende Beurteilung der politischen Lage; dies 
deshalb, weil die allgemeinen, sowie die speziellen, den einzelnen Kriegs¬ 
fällen angepaßten konkreten militärischen Vorbereitungen sich nicht im 
letzten Moment bewirken lassen, sondern eine sehr lange Durchführungs¬ 
frist voraussetzen, welche bei den allgemeinen Vorbereitungen (Organi¬ 
sation, Bewaffnung, Ausrüstung, Kundschafterdienst, Befestigungen, Aus¬ 
bildung. Flotte) nach Jahren, aber auch bei den konkreten Vorbereitungen 
(AufmarschVorarbeiten, Instradierung etc.) nach Monaten zählt. 
Diese voraussichtige Beurteilung der Politik kann sich daher nur auf 
jene Verhältnisse stützen, welche sich aus den allgemeinen Entwicklungs¬ 
bedingungen der Staaten, ihren daraus hervorgehenden Interessen und 
damit ihren natürlichen Gegnerschaften ergeben. Diese Potenzen sind 
die schließlich ausschlaggebenden, mit dem natürlichen Gewicht in die 
Wage fallenden und sich en cas que über alle noch so verläßlich geglaub¬ 
ten Ententen, diplomatischen Abmachungen und Versprechungen hinweg¬ 
setzenden. 
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