Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

thal, der fürchtete, die russischen Kreise zu verstimmen. In einer Audienz 
am 1. Feber 1910 trachtete ich bei Seiner Majestät diese Bedenken zu 
zerstreuen, was jedoch nur eine Vertagung der Angelegenheit zur Folge 
hatte. 
Wie weit skrupelloser dementgegen Rußland vorging, zeigte sich 
darin, daß es den speziell mit Erkundung der ö.-u. Armee und mit der 
Verfassung eines Handbuches über dieselbe betrauten Oberstleutnant 
Potocki ohne langes Fragen bei der russischen Botschaft in Wien 
placierte und schließlich die offizielle Zustimmung hiefür zu erwirken 
wußte. 
Am 12. November und am 23. November 1910 brachte ich bei 
Seiner Majestät die Frage des Offiziersnachwuchses zur Sprache. Ich 
machte geltend, daß es erforderlich sei, gediegene, nach Provenienz, Den- 
kungsweist und Erziehung verläßliche Elemente zu gewinnen, den 
Standesstolz zu wecken, den kombattanten Offizier auszuzeichnen, hiezu 
aber auch die Stellung des Offiziers materiell und moralisch zu heben. 
Insbesondere gegenüber dem weitaus bevorzugten Staatsbeamten, dem die 
Vertretungskörper bei allen Forderungen, dank seinem politischen Einfluß 
und seinem Wahlrecht, weit willfähriger gegenüberstünden als dem 
hievon ausgeschlossenen Offizier. 
Der Berufsoffizier war in weiten Kreisen nicht populär. In ihm sahen 
die Radikal-Nationalen den Vertreter der gemeinsamen, allen Nationalitäten 
gleich gegenüberstehenden Reichsidee, die Sozialdemokraten die Stütze der 
von ihnen bekämpften staatlichen Ordnung, eine Autorität, gegen die es 
galt, die Massen aufzuhetzen, die sonstigen Parteien den Angehörigen 
einer ihrer Ansicht nach kostspieligen, unproduktiven Institution. Der dem 
Offizier so unerläßliche Standesstolz wurde als Überhebung empfunden, 
die strengsten Vorschriften und Gepflogenheiten für Wahrung der Offiziers¬ 
ehre wurden als Anmaßung hingestellt. Bei Konflikten wurde der Offizier 
grundsätzlich im Stiche gelassen, insbesondere, wenn er von Parlament 
und Presse angegriffen wurde. Taktlose oder verbrecherische Einzelfälle, 
wie sie jede Korporation ab und zu aufweist, wurden generalisiert und 
zur Herabsetzung der Gesamtheit ausgebeutet. Aber auch an Stellen, die 
zur Vertretung des Offiziers berufen waren, sah man in diesem den nur 
zum stummen Gehorsam Verpflichteten, während man um die Liebe 
anderer Kreise warb und die Rücksichten auf sie voranstellte. 
Konkrete Kriegsvorbereitungsarbeiten. Die kon¬ 
kreten Kriegsvorbereitungsarbeiten nahmen auch im Jahre 1910 ihren 
normalen Verlauf. Im allgemeinen blieben die Alarminstruktionen und 
Aufmarschelaborate im wesentlichen auf der bisherigen Grundlage. Ein¬ 
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