Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Sektionschef Shek (ein Kroate) und der der serbophilen Richtung 
zugeneigte Baron Pittner in Betracht. Der Landeschef Feldzeugmeister 
von Varesanin beantragte Shek, der gemeinsame Finanzminister Baron 
Burian ernannte jedoch Baron Pittner. Ich bemerkte Seiner Majestät 
gegenüber, daß ein derartiger Zwiespalt kaum ein gedeihliches Wirken 
fördern könne. Da die Widerstände gegen militärische Forderungen in 
B. H., darunter auch die Bahnbauten, immer mit finanziellen Ursachen 
begründet wurden, hob ich Seiner Majestät gegenüber die kaum zu recht¬ 
fertigenden Auslagen hervor, die dem Lande durch den enormen 
Verwaltungsapparat auferlegt waren. Ich bemerkte, daß Böhmen bei 
6*4 Millionen Einwohnern mit einem Statthalter, zwei Vizepräsidenten, 
vier Statthaltereihofräten, einem Hofrat als Landesschulrat, 100 Bezirks¬ 
ämtern und zwei Exposituren das Auslangen finde, während das nur 
1-6 Millionen Einwohner zählende B. H. (abgesehen vom gemeinsamen 
Finanzministerium in Wien) einen Landeschef, einen Ziviladlatus, sechs 
Sektionschefs, 13 Hofräte, 6 Kreisbehörden, 55 Bezirksämter und 
25 Exposituren aufweise. 
In der Audienz am 29. Juli in Ischl verwahrte ich mich gegen 
eigenmächtige Maßnahmen in B. H., welche die militärischen Interessen 
schädigten. Ohne Wissen des Ministers des Äußern und des Kriegs¬ 
ministers erfolgten Änderungen des Strafgesetzes, wodurch der Militär- 
Jurisdiktion Vergehen entzogen wurden, die ihr bisher unterstanden. 
Hinter dem Rücken der Heeresleitung wurden Abmachungen über 
Elektrifizierung der Bahn Sarajevo—Mostar gepflogen. In öffentlicher 
Rede stellte der Ziviladlatus dem Lande in Aussicht, daß Post-, Tele¬ 
graphen- und Telephondienst dem Militär abgenommen werden würde. 
Welche Wichtigkeit es aber hatte, gerade auch diese Dienste in ver¬ 
läßlichen militärischen Händen zu wissen, habe ich schon an anderer 
Stelle ausgeführt. Erneuert wendete ich mich gegen den eingewurzelten 
Mißbrauch, die Truppen zu Arbeiten zu verwenden, die zivilerseits zu 
bewirken waren. Ich resümierte, daß eine Änderung der Stellung des 
Landeschefs unabweisbar erscheine. 
In einer Audienz am 4. Dezember 1910 befürwortete ich die 
Ernennung eines energischen Landeschefs und schlug hiezu Feldzeug¬ 
meister Oskar Potiorek vor, dessen bestimmtes Wesen und dessen große 
Arbeitskraft ich kannte.*) 
*) Der unglückliche Rückschlag in Serbien hatte im Weltkrieg diesen 
General als schweres Schicksal getroffen. Eine vorurteilsfreie Geschichts¬ 
forschung wird jedoch erweisen, wie sehr die anfangs siegreiche öster- 
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