Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Die Allianz mit Italien ist ein Schaden für die Monarchie; 
mit Italien wäre abzurechnen, ehe es mit der Ausgestaltung seiner 
technischen Kriegsvorbereitungen] (Bahnen, Befestigungen) zu Ende 
kommt; 
der passende Moment hiefür wäre das Frühjahr 1912. 
Die Ausnützung des durch die Tripolis-Aktion momentan geschaffenen 
Schwächezustandes ist ein Gebot der Selbsterhaltung der Monarchie. 
Dieser Entschluß wäre in streng reservierter Weise sofort fest¬ 
zustellen und wären alle noch realisierbaren Vorbereitungen in unauf¬ 
fälliger Weise zu treffen. 
Bei der jetzigen Interessengruppierung der Mächte ist kaum anzu¬ 
nehmen, daß Rußland der Monarchie in den Arm fallen oder England 
maritim gegen letztere eingreifen würde, ganz besonders, wenn Deutsch¬ 
land die Rückendeckung gegen Rußland übernimmt, wozu es durch die 
Lage gezwungen ist, weil es kaum Italien als Alliierten gegen die 
Monarchie eintauschen dürfte. Deutschland würde in eine bedenkliche 
Situation geraten, wenn sich die Monarchie an Seite Rußlands, Frank¬ 
reichs und Englands stellen würde. 
Sollte es aber im Gegenteil etwa gar dazu kommen, daß sich 
Deutschland unter Ausschaltung der Monarchie mit Rußland und Italien 
verbündet, dann wäre für sie, soweit die militärische Machtfrage 
entscheidend wird, die denkbar ungünstigste Lage geschaffen; jedenfalls 
müßte eine solche Möglichkeit, falls sie überhaupt bestünde, sofort ins 
Auge gefaßt werden, weil dann die militärischen Vorkehrungen auf eine 
ganz neue Basis gestellt und außergewöhnliche Vorbereitungen getroffen 
werden müßten. 
In diesem Falle hätte die Monarchie bestenfalls Frankreich und 
England zur Seite, aber von letzterem ist keine nennenswerte kontinentale 
Unterstützung zu erwarten, und die Landkräfte Frankreichs wären, von 
geringen Kräften an der italienischen Alpengrenze abgesehen, ganz gegen 
Deutschland engagiert. 
Die Monarchie stünde dagegen militärisch einem Teil der deutschen 
Kräfte, dann der bewaffneten Macht Rußlands, Italiens (mit Abschlag 
geringer Kräfte in den Westalpen), dann Serbiens, Montenegros gegen¬ 
über, soweit diese Staaten nicht auf dem Balkan engagiert wären. 
Rumänien stünde in diesem Falle kaum aktiv auf Seite der Monarchie, 
Bulgarien würde seine eigenen Zwecke verfolgen, die Türkei wäre 
abhängig von dem Verhalten der übrigen Balkanstaaten, käme also in 
Europa direkt nicht in Betracht. 
Daraus geht hervor, daß anbetrachts dieser militärischen Kräfte¬ 
verhältnisse seitens der Diplomatie alles aufgeboten werden muß, um eine
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.