Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Rußland. Es ist im Vorstehenden bei jedwedem Krieg gegen 
Rußland die aktive Mitwirkung Deutschlands vorausgesetzt, sei es, daß 
dieses von Haus aus mit allen Kräften gegen Rußland aufzutreten vermag 
(was mit Rücksicht auf Frankreich kaum wahrscheinlich ist), sei es, daß 
es vorher mit der Hauptkraft im Westen (gegen Frankreich und England) 
engagiert wäre, was wahrscheinlich eintreten dürfte. Für diese Fälle 
bestehen die Vereinbarungen mit dem deutschen Generalstab. 
Wenn es sich jedoch um einen Krieg der Monarchie gegen Rußland 
ohne aktive Mitwirkung Deutschlands handelt, so stünden die numerischen 
Verhältnisse der Monarchie zu Rußland wie 2 :3 zu Ungunsten der 
Monarchie. Die Teilnahme Rumäniens würde dieses Verhältnis auf 2-4:3 
bringen. Daraus erhellt, daß die Monarchie ohne Deutschland einen 
Krieg gegen Rußland nur dann mit numerischer Chance führen könnte, 
wenn Rußland an anderer Stelle mit erheblichen Kräften engagiert wäre. 
Fallen für die Monarchie voraussichtlich auch bessere Führung und 
größere taktische Gewandtheit der Truppen ins Gewicht, so stehen dem 
jedoch anderseits die große Zähigkeit und Tapferkeit der russischen 
Soldaten und jener Vorteil gegenüber, den Rußland in seinen unerme߬ 
lichen Räumen findet; es ist daher geboten, den Kalkül der Chancen auf 
das numerische Kräfteverhältnis zu basieren. 
Damit soll jedoch nicht gesagt sein, daß die Monarchie nicht auch 
unter solchen Verhältnissen einen Waffengang mit Rußland aufnehmen 
könnte, wenn die Lage es erfordert, insbesondere wenn schwerwiegende 
politische Vorteile auf dem Spiele stünden. 
Italien. Hinsichtlich Italiens gilt es vor allem zu bedenken, daß 
dieser Staat in dem letzten Lustrum einen bedeutenden militärischen 
Aufschwung genommen und insbesondere seine Befestigungen und sein 
Eisenbahnnetz zielbewußt und im großen Stile ausgebaut hat. 
Das militärische Kräfteverhältnis zwischen der Monarchie und Italien 
hat sich daher von Jahr zu Jahr zu Ungunsten der Monarchie verändert 
und schreitet, von der momentanen Störung durch die Tripolis-Aktion 
abgesehen, auf diesem Wege weiter. 
Dies bereits vor Jahren voraussehend, habe ich schon damals, 
insbesondere 1907, a. u. geraten, mit Italien abzurechnen. 
Nachdem dies nicht geschehen ist, erübrigt nur, die eigenen Kräfte 
derart zu entwickeln, daß das relative Kräfteverhältnis wieder zu Gunsten 
der Monarchie umschlägt. Dies betrifft vorwiegend die Ausgestaltung 
der materiellen Kriegsmittel, darunter vor allem die schleunigste Schaffung 
der von mir schon seit Jahren erbetenen schweren Angriffsartillerie, dann 
Ausgestaltung der Bahnen, Befestigungen und Grenzsicherungsma߬ 
nahmen sowie der Flotte und der für sie nötigen Küstenbefestigungen. 
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