Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Die Mohammedaner waren in zwei Parteien gespalten: die rein 
religiöse Partei „Samostalna muslimanska strana“, in der auch die 
Adhemaja-Partei aufgegangen war, nachdem sie ihr bisheriges kroatisch¬ 
nationales Programm aufgegeben hatte, und die serbophile Partei „Musli¬ 
manska narodna organisacia“. Von letzterer sagt das Memoire: 
„Die ,Muslimanska narodna organisacia' (Firdusi-Parlei), deren 
spiritus rector Serif Arnautovic, ein geriebenes, höchst malpropres Subjekt, 
ist, hatte es bisher verstanden, wenn auch mit Terror und durch falsche 
Vorspiegelungen, die Masse der islamitischen Bevölkerung zu beherrschen 
und stand mit den radikalen Serben in inniger Fühlung. Die Führer der 
genannten Partei konnten sich bis vor Kurzem mit der durch die Annexion 
geschaffenen Tatsache nicht befreunden und blickten immer nach Kon¬ 
stantinopel, von wo sie, wenn auch nicht momentan, so doch für die 
Zukunft die Verwirklichung ihrer Pläne erhofften. Den radikalen Serben 
hingegen schwebte noch immer ein Oroßserbien vor, beziehungsweise 
geben sie sich, präziser gesagt, der Hoffnung hin, daß die gegenwärtige 
staatsrechtliche Stellung Bosniens und der Herzegowina noch keine end¬ 
gültige sei und erwarten gelegentlich größerer europäischer Verwicklun¬ 
gen mit Hilfe Serbiens eine Änderung der politischen Verhältnisse in ihrem 
Sinne und sohin den angestrebten Anschluß an Serbien. Diese utopischen 
Ziele einerseits, die Unzufriedenheit mit der Wendung, die die Dinge 
genommen haben, andrerseits, bewirkten die sonst unnatürliche serbo- 
islamitische Allianz, wobei auch der serbische Dinar, mit welchem einige 
moslemische Führer von Belgrad aus gespickt wurden, eine nicht 
unwesentliche Rolle spielte.“ 
Als die serbische Jeftanovic-Partei nach der Annexionskrise auf den 
opportunistischen Standpunkt gegenüber der Regierung umschwenkte, 
sah sich die moslemische Firdusi-Partei veranlaßt, das gleiche zu tun und 
ihren serbophilen Standpunkt gegen den rein religiösen zu vertauschen, 
damit sie in der Folge bei der Regierung Schutz gegen Maßnahmen finde, 
welche, wie die Kmeten-Ablösung, muselmanische Interessen berührten. 
Die — weit überwiegend katholischen — Kroaten waren in den 
Agrarfragen wohl mit den Serben einig, politisch aber standen sie diesen 
scharf gegenüber. Numerisch in der Hinterhand, waren sie überdies in 
zwei Parteien gespalten, jene des Sarajevoer Erzbischofs Stadler, dem für 
die Kroaten Religion und Nationalität untrennbar galten, und jene des 
Doktor Mandic, der die Vereinigung B. Hs. mit Kroatien auf dem Wege der 
Annäherung der anderen Konfessionen anstrebte. Eine Idee, bezüglich 
welcher das Memoire bemerkt: „Derzeit fehlen aber alle Vorbedingungen 
für die Realisierung des hier in Frage stehenden Prinzipes, da abgesehen 
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