Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Hält man nun den kurz dargelegten Entwicklungsrichtungen der aus¬ 
wärtigen Staaten jene der Monarchie entgegen, so betrifft dies folgendes: 
Die Erhaltung Südtirols und des ganzen Küstengebietes ist für die 
Monarchie unerläßliche Bedingung, jede Bedrohung derselben müßte als 
casus belli betrachtet werden. 
Die Seemachtstellung der Monarchie und — gestützt auf diese — 
Seehandel und Seeverkehr bedingen die Vorherrschaft der Monarchie in 
der Adria, insbesondere an der Ostküste derselben; jede Festsetzung 
einer anderen Macht an dieser müßte mit Gewalt verhindert werden. 
Der gesicherte Küstenbesitz ist an die Erhaltung des Hinterlandes 
gebunden; jede feindliche Bedrohung des letzteren muß zum Kriegsfall 
führen. 
Auch jeder andere Gebietsverlust müßte in gleicher Weise zurück¬ 
gewiesen werden, was insbesondere auch hinsichtlich Galiziens gilt, 
dessen Verlust eine schwere Einbuße und eine Vernichtung der Gro߬ 
machtstellung der Monarchie bedeuten würde. 
Diesen vorwiegend erhaltenden Tendenzen reihen sich aber jene an, 
welche zur eigenen Expansion drängen. 
Ohne Kolonien und an allen anderen Grenzen mehr oder weniger 
wirtschaftlich abgeschlossen, findet die Monarchie — vom Seeverkehr 
abgesehen — ein kommerzielles und politisches Ausdehnungsgebiet nur¬ 
mehr auf dem Balkan; auf diesem muß sie sich die Vorherrschaft wahren, 
will sie nicht wirtschaftlich ersticken. Dies bedingt jedoch den Besitz 
des Gebietes des jetzigen Königreiches Serbien inklusive des Raumes von 
Nis, in der Folge allmählich erweitert; dabei spricht der geographische 
Ortsbesitz ebensosehr mit, wie die Gefahr, zwei südslawische, selbständige 
Kleinstaaten bestehen zu lassen, welche stets den eigenen südslawischen 
Besitz der Monarchie gefährden und den Gegnern der Monarchie als 
stets bereite Verbündete zur Seite stehen. 
Wie oben bereits angedeutet, liegt eine zweite Richtung für die 
wirtschaftliche Expansion der Monarchie im Seeverkehr; dieser bedingt 
eine starke Flotte mit einer ausreichend geschützten heimatlichen Flotten¬ 
basis, als welche hier das ganze östliche Küstengebiet der Adria in Frage 
kommt. Gerade aber der gesicherte Besitz einer solchen Flottenbasis 
erfordert den gesicherten Besitz des Hinterlandes mit seinen in das 
Zentrum der Monarchie führenden Verbindungen, und so weist auch 
die auf dem Gebiete des Seeverkehrs zu suchende Entwicklungsrichtung 
der Monarchie auf die obdargelegten Erwerbungen am Balkan hin. 
In der Erwerbung Serbiens scheinen mir daher die nächsten 
Expansionsbestrebungen der Monarchie gelegen. Inwieweit einstens 
Erwerbungen auf dem Gebiete Polens in Frage kommen werden, hängt 
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