Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Altserbiens, Rasciens und der südslawischen Gebiete der Monarchie 
gerichtet; die gleichen Ziele verfolgt Montenegro, welches insbesondere 
die Erstreckung seines Besitzstandes bis an das Meer und hiezu vor allem 
den Besitz Süddalmatiens und der Herzegowina anstrebt, außerdem aber 
auch aus mehr geographischen und kulturellen Motiven den Besitz 
türkischen Gebietes in Albanien. 
Die aus der Erstrebung gleicher Ziele resultierende Gegnerschaft 
beider Staaten ist vorwiegend nur ein Widerstreit der Dynastien, während 
der Einigungszug dem Wesen des Volksgeistes entspricht. 
Die obdargelegten Verhältnisse lassen daher Serbien und Montenegro 
als Gegner der Monarchie erscheinen und gewärtigen, daß diese Staaten, 
weil allein zu schwach, stets Anlehnung an die mächtigeren Gegner der 
Monarchie suchen und mit diesen gemeinsame Sache machen werden. 
Da es nun aber als großer militärischer Vorteil bezeichnet werden 
müßte, wenn man im Falle eines großen Krieges der Monarchie nicht 
auch noch mit der aktiven Feindschaft dieser Staaten zu rechnen 
gezwungen wäre, so legen es die militärischen Rücksichten (abgesehen 
von den sonstigen) nahe, diese Staaten lahmzulegen, sobald sich eine 
passende Gelegenheit hiezu bietet. Bezüglich Serbiens erscheint dies für 
die Dauer nur im Wege der Inkorporierung erfolgreich durchführbar, 
indes vielleicht Montenegro durch materielle Interessen derart an die 
Monarchie gebunden werden könnte, daß es im Anschluß an letztere 
entscheidende Vorteile fände. 
Insolange derartiges nicht erreicht ist, werden in jedem großen 
Krieg der Monarchie sehr erhebliche militärische Kräfte durch diese 
beiden Staaten gebunden sein, was einen entschiedenen militärischen Nach¬ 
teil bedeutet, da diese auf dem Hauptkriegsschauplatze fehlen werden. 
Türkei. Die innerpolitischen Verhältnisse der Türkei und die 
Schwankungen seiner äußeren Politik machen die Türkei dermalen zu 
einem höchst unverläßlichen Faktor im politischen Kalkül. Das Wesen 
der ganzen Staatskonstitution ist auf Erhaltung des allseits gefährdeten 
Besitzes gerichtet; damit ist die Türkei momentan in Konflikt mit Italien 
und kann mit Rußland, Bulgarien, Serbien, Montenegro, Griechenland, 
England jederzeit in Konflikt geraten; sie sieht außerdem ihren Territorial¬ 
besitz durch die Autonomiebestrebungen Albaniens gefährdet. Der 
Monarchie gegenüber bestehen dermalen keine die Gegnerschaft bedin¬ 
genden direkten Interessengegensätze. Die Türkei könnte dagegen als 
Gegner Serbiens und Montenegros der Monarchie nutzbar werden, 
eventuell auch als Gegner Rußlands oder Italiens, was einer militärischen 
Entlastung der Monarchie zugute käme. 
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