Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Anlage 3. 
Denkschrift 
vom 15. November 1911. 
Res. Gstb. Nr. 4350. 
Allergnädigster Herr! 
Geruhen Euer Majestät die vorliegende Denkschrift Allergnädigst 
entgegenzunehmen, in welcher ich bestrebt bin, ein knappes Bild der 
militärpolitischen Lage, der darauf basierten konkreten Kriegsvorbereitungs¬ 
arbeiten, sowie jener Forderungen zu geben, die ich pflichtgemäß als 
unerläßlich, beziehungsweise unaufschiebbar bezeichnen und für welche 
ich die ganz besondere Allerhöchste Einflußnahme erbitten muß. 
Wenn ich auch in allen jenen Memoires, welche ich seit meiner 
Ernennung zum Chef des Generalstabes a. u. unterbreitet habe, mir 
erlaubte, die mich leitenden Anschauungen schon wiederholt zum Aus¬ 
drucke zu bringen, so bitte ich doch Euer Majestät, erneuert Allergnädigst 
gestatten zu wollen, daß ich dieselben nochmals kurz zusammenfasse. 
Ich gehe von der Grundansicht aus, daß ein Staat stets positive 
und daher auch aggressive Ziele verfolgen muß, weil bei dem Beschränken 
auf das bloße Erhalten ein Rückgang um so unausbleiblicher wird, als 
die umgebenden Nachbarn ihr Machtgebiet zu erweitern streben. 
Ich bin daher ferner der Ansicht, daß es eine Fiktion ist, an einen 
Status quo zu glauben und daher auch ein Fehlschluß, seine Politik und 
— was mir nahe geht — damit zusammenhängend auch seine militärischen 
Vorsorgen auf einen solchen zu basieren. 
Ich bin ferner der Ansicht, daß es bei der eigenen Verfolgung 
positiver Entwicklungsziele darauf ankommt, die zur Erreichung dieser 
Ziele unvermeidlichen Aktionen dann eintreten zu lassen, wenn die 
Verhältnisse hiefür am günstigsten liegen, sei es, daß die momentane 
Konstellation plötzlich solche Chancen bietet, sei es, daß eine auf ein 
solches Ziel weit vorschauende eigene Politik es zustande bringt, solche 
Chancen selbst zu schaffen, was mir immer als natürlichster, erfolg¬ 
reichster und daher gebotenster Weg erscheint. 
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