Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Die Haltung Deutschlands charakterisiert folgende Stelle: 
„Ich kann es mit ruhigem Gewissen aussprechen, daß schon im 
Oktober 1912, wo man noch immer nicht wußte, wohin das alles hinaus 
sollte, für Deutschland der Hauptzweck bei seinen Entschlüssen im 
Balkankonflikte einzig und allein die Erhaltung des europäischen Friedens 
gewesen ist.“ 
Bezüglich Rußlands schreibt der Autor: 
„Obwohl der Balkanbund ein Werk Rußlands war, als russisches 
Werkzeug gedacht gegen die Türkei und Österreich, wetteiferte Herr 
Sasonow damals mit den leitenden Staatsmännern der andern Großmächte 
in der Verurteilung der Handlungsweise der Balkanstaaten wegen ihrer 
Störung und Gefährdung der Ruhe, Sicherheit und Ordnung Europas, 
um damit jeglichen Verdacht der Komplizität der russischen Politik 
abzulenken. Nur in einem Punkte war nämlich diese Entrüstung vielleicht 
ehrlich gemeint, daß nämlich der von den Balkanstaaten gewählte Zeitpunkt 
zum Losschlagen der russischen Regierung noch nicht günstig erschien.“ 
Er führt dann folgenden Passus aus einem Interview des „Lokal- 
Anzeigers“ mit Sasonow an: 
„Sehr befriedigt äußerte sich der russische Minister von seinem 
Berliner Besuche und versicherte mit großer Lebhaftigkeit, daß alle 
Folgerungen, die man an die russischen Probemobilisierungen geknüpft 
habe, durchaus irrtümliche seien. Es handle sich um eine jener Kontroll¬ 
einberufungen, wie sie nicht nur in Rußland allein gesetzlich vorgesehen 
seien. Sie mit den Ereignissen am Balkan in Zusammenhang bringen, 
heißt Rußland Absichten zuzuschieben, von denen es weiter denn je 
entfernt sei.“ 
Bei Erörterung der albanesischen sowie der Adriabahn- und der 
Hafenfrage findet sich der Passus: „Und da der Zeitpunkt zum Los¬ 
schlagen gegen Österreich-Ungarn noch nicht gekommen war, so mußten 
diese Bestrebungen Serbiens, die ja im Grunde genommen Bestrebungen 
Rußlands waren, desavouiert werden.“ 
Dem deutschen Staatssekretär für Äußeres, Herrn Kiderlen-Wächter, 
gegenüber äußerte sich im November 1912 Dr. Bogicevic wie folgt: 
„Nach der ganzen Vorgeschichte dieses Krieges sei es offensichtlich, 
daß der Konflikt der Balkanstaaten gegen die Türkei nur die erste Phase 
eines groß angelegten russischen Planes sei, um nach erreichtem Erfolg 
gegen die Türkei die Balkanstaaten gegen Österreich in Bewegung zu 
setzen und den Streit mit Österreich um die Hegemonie auf dem Balkan 
endlich zum Austrag zu bringen. Die ganze Adriapolitik Serbiens sei 
ein Machwerk Rußlands mit österreichfeindlicher Tendenz.“ 
27, Conrad II 
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