Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

„Als sich die innere Lage in der Türkei verschlechterte, war man 
sich gleich darüber einig, daß man sich zuerst über die Türkei hinweg¬ 
setzen müsse, um dann erst Österreich erfolgreich angreifen zu können.“ 
„Die Verhandlungen zwischen Bulgarien und Serbien waren sehr 
schwierig, die seitens Rußlands in Aussicht gestellte Gewinnung Bosniens 
und der Herzegowina für Serbien spielte dabei eine große Rolle.“ 
„In wie, ich möchte sagen, lächerlicher Weise mühte man sich jahr¬ 
zehntelang um die Fiktion der Erhaltung des Status quo auf dem Balkan, 
und zwar gerade von deutscher und österreichischer Seite und dies alles 
im besten Glauben, damit der Erhaltung des europäischen Friedens zu 
dienen.“ 
Der Abschluß des Balkanvertrages war durch eine dem Kronprinzen 
Alexander von Serbien entschlüpfte Bemerkung dem Dr. Bogicevic zur 
Kenntnis gelangt. Dieser schrieb hierüber: „Ich glaube, annehmen zu 
dürfen, daß nicht Mangel an Vertrauen mir gegenüber der Grund war, 
daß ich den näheren Inhalt des Vertrages nicht hätte wissen sollen, 
sondern daß er (Milovanovic, serbischer Minister des Äußern) fürchtete, 
ich würde das Vorwiegen der offensiven, österreichfeindlichen Tendenz 
herausfühlen und mir zu frühzeitig Gedanken machen über die weiteren 
politischen Pläne Rußlands und Serbiens.“ 
„Die Vorverhandlungen,“ schreibt Bogicevic weiter, „ließen befürch¬ 
ten, daß Serbien im Begriffe stehe, sich in ein schwerwiegendes Abenteuer 
zu stürzen und, was noch wichtiger war, man konnte sich des Empfindens 
nicht erwehren, daß man mit raschen Schritten dem europäischen Kriege 
entgegengehe.“ 
„Bei dieser Gelegenheit, und das erachte ich historisch wichtig, 
festzustellen, teilte mir Kronprinz Alexander mit, daß ihm der Kaiser 
von Rußland gelegentlich des Abschlusses dieses Vertrages gesagt 
habe, daß nunmehr die Aspirationen Serbiens gegen¬ 
über Österreich-Ungarn bald in Erfüllung gehen 
werden.“ 
Dr. Bogicevic schildert dann die militärischen Vorbereitungen der 
Balkanverbündeten und fügt bei: 
„Ich führe dies alles zum Beweise an, was mir später von serbischen 
Militärs bestätigt wurde, daß an den maßgebenden Stellen in Serbien 
und Bulgarien der Krieg gegen die Türkei bereits Monate 
vorher, wahrscheinlich schon beim Abschluß des Geheimvertrages vom 
29. Feber 1912, eine beschlossene Sache war.“ 
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