Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Salonik ist der Zankapfel, der vor allem Bulgarien und Griechenland 
auseinanderbringen werde. Die eigentlichen Auseinandersetzungen werden 
erst nach Beendigung des Krieges beginnen, da die verbündeten Staaten 
als Einheit Frieden schließen wollen, dann aber über die Teilung unter¬ 
einander verhandeln werden müssen. 
Was den eventuellen Wiederbeginn des Krieges anbelangt, 
so ist er fast sicher, wenn die Türkei nicht auf Adrianopel verzichtet. 
Diese Perspektive veranlaßt den König, die mit E. E. besprochene, damals 
aber abgelehnte Idee eines rumänischen Druckes auf die 
Türkei nunmehr in ernste Erwägung zu ziehen. 
Rumänien kann aus wirtschaftlichen Gründen eine Verlängerung des 
Kriegszustandes nicht vertragen, weshalb der König nicht mehr abgeneigt 
wäre, erforderlichenfalls zuerst diplomatisch, dann aber auch durch 
Androhung einer militärischen Aktion die Türkei zum Nachgeben zu 
zwingen. Im äußersten Falle würde selbst mit der Mobilisierung der 
rumänischen Armee vorgegangen werden. Voraussetzung hiefür ist aber, 
daß Bulgarien auf die rumänischen Wünsche betreffs einer Grenz¬ 
regulierung eingeht. Der Gesandte Misu in London hat diesbezüglich 
genaue Instruktionen, nach welchen keine Kompensation, sondern 
eine Grenzberichtigung verlangt wird, die im allgemeinen die 
Linie Silistria—Balcik als neue Grenze festzusetzen hätte. Auf Silistria 
legt der König gar keinen Wert, überhaupt will er nur einen Erfolg 
haben, um die öffentliche Meinung zu beruhigen, die sich mit der Frage 
immer erregter zu beschäftigen beginnt. Ernste Politiker, sagte Seine 
Majestät wörtlich, haben von mir ganz unumwunden die Mobilisierung 
der Armee und die Besetzung des bulgarischen Festungsviereckes 
verlangt. 
Eine weitere Forderung Rumäniens ist, daß die Aromunen der 
Gegend von Janina unter keiner Bedingung unter 
griechische Herrschaft kommen, sondern dem autonomen 
Albanien angegliedert werden, sowie, daß in Südalbanien rumänische 
Administration eingeführt werde. 
Die Besprechungen mit Danewin Bukarest haben insofern 
ein günstiges Resultat gezeitigt, als dieser im Prinzip die Grenzberichti¬ 
gung zugestanden hat. Bezüglich der Größe des Gebietes ist alles noch 
in Schwebe. Darüber wird Herr Misu in London zu verhandeln haben 
und aus dem Gange dieser Pourparlers wird sich die Richtung für die 
nächste rumänische Politik ergeben. Zu den Eröffnungen des Königs 
hätte ich nur beizuzfügen, daß sich seit meiner Rückkehr aus Wien hier 
eine immer weitere Kreise ziehende Agitation zu Gunsten einer raschen 
und energischen Lösung der Grenzfrage beobachten läßt, die, von Politikern 
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