Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Bedürfnis zur Geltung zu bringen, welches im obgedachten Falle darauf 
hinausläuft, ein möglichstes Maximum serbisch-montenegrinischer Kräfte 
durch einen andern Staat (also hier Albanien) gebunden zu sehen. 
Leider wird ja die Monarchie in Hinkunft immer mit einem Krieg 
nach zwei Fronten rechnen müssen, da es schon in den früheren Jahren 
versäumt wurde, mit Italien und Serbien abzurechnen, ein Fehler, der 
jetzt immer mehr und mehr in die Augen springt. 
Genehmigen E. E. den Ausdruck der vorzüglichen Hochachtung, 
mit der ich stets bin 
Euer Exzellenz ergebenster 
Conrad, G. d. I.“ 
Die für Österreich-Ungarn so wichtige Rolle Rumäniens und 
mein Bemühen, zur Festigung unseres Zusammengehens zu wirken, 
erscheinen bereits wiederholt gekennzeichnet. Einen Beitrag zur Charakteri¬ 
sierung unserer damals, also Ende 1912 bestehenden Beziehungen liefert 
nachstehendes Schreiben des k. u. k. Militärattaches in Bukarest, Oberst¬ 
leutnant von Hranilovic: 
„K. u. k. Militärattache in Bukarest 
Res. Nr. 175 geheim. 
Bukarest, am 25. Dezember 1912. 
Euer Exzellenz! 
Auf die Meldung von meiner Rückkehr aus Wien befahl mich Seine 
Majestät der König für gestern abends zur Audienz, um sich informieren 
zu lassen, ob hinsichtlich der militärischen Fragen alles geordnet, 
beziehungsweise noch irgend eine Ergänzung notwendig sei. Nachdem 
ich ihm erklärt hatte, daß meines Wissens keinerlei offene Fragen mehr 
bestünden, ging der König sofort zur Politik über und besprach die Lage, 
wie sie sich ihm gegenwärtig darstellt. Ich lasse die springenden Punkte 
chronologisch, wie der König sie berührte, folgen: 
Rußlands offizielle Kreise mit dem Kaiser an der Spitze sind 
absolut nicht geneigt, es aus Anlaß des Balkankrieges zu einer weiteren 
großen Verwicklung kommen zu lassen. Der mit dem Marschallstab 
hergesendete Großfürst Michael hat dem König versichert, daß Serbien 
in Petersburg nicht im entferntesten so beliebt sei, wie es glauben machen 
will, es werde aber vom russischen Gesandten Hartwig, einem gefähr¬ 
lichen Intriganten, getäuscht und gehetzt, weshalb dieser die schärfsten 
Instruktionen erhalten habe. Auf die Frage des Königs, warum Hartwig 
nicht abberufen werde, blieb der Großfürst die Antwort schuldig. 
Der Balkanbuiid ist eine Zusammenschweißung der vier 
Staaten ad hoc, die jetzt schon die Keime des Zerfalls in sich trage. 
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