Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Auch der Lehrer war daher dem verhetzenden Parteigetriebe fern 
zu halten; daran aber gebrach es vielfach. 
Am 28. Dezember erhielt ich ein vom 26. Dezember datiertes 
Schreiben des Feldzeugmeisters Potiorek, in dem dieser auf die Not¬ 
wendigkeit einer Landverbindung mit Albanien und darauf hinwies, daß 
der als zukünftiger Herrscher für Albanien genannte ägyptische Prinz 
Fuad ein warmer Anhänger Italiens sei. 
Ich beantwortete dieses Schreiben dahin, daß die Frage dieser Land¬ 
verbindung auch hier stets im Auge behalten sei*) und Österreich-Ungarn 
den genannten Prinzen nicht akzeptieren, sondern lieber einen deutschen 
Prinzen auf dem Thron Albaniens sehen würde. Im übrigen schrieb ich 
in dieser Angelegenheit noch am 28. Dezember an Graf Berchtold. 
Am selben Tage (28. Dezember) erhielt ich von ihm folgende 
Antwort auf mein Schreiben vom 26. Dezember: 
„Wien, 26. Dezember 1912. 
Euer Exzellenz! 
Mit verbindlichstem Danke bestätige ich den Empfang Ihrer beiden 
an mich gerichteten geschätzten Privatschreiben vom 25. und 26. Dezember. 
Das serbisch-montenegrinische Verhältnis bildet den Gegenstand 
unserer aufmerksamen Beobachtung und würde uns das Ausspielen König 
Nikitas gegen seinen Schwiegersohn ganz gut in den Kalkül passen, wenn 
ersterer sich nicht nur als Komödiant — denn er nimmt gelegentlich die 
Pose eines Freundes der Monarchie gegenüber Serbien an — sondern 
auch in vollem Ernste dazu hergeben wollte. Wie man diesen unverlä߬ 
lichen Balkan-Macchiavell aber beim Worte nimmt, was Giesl nicht 
unversucht gelassen hat, kommt er mit ganz unannehmbaren Propo¬ 
sitionen angerückt, aus denen geschlossen werden kann, daß er — wenig¬ 
stens bis nun — der Monarchie bei diesem Geschäfte eine ausschließlich 
passiv zu buchende Rolle zugedacht hat. Derzeit befinden wir uns 
übrigens schon deshalb nicht in der Verfassung, Nikita zu Gefallen sein 
zu können, weil wir nicht die Absicht haben, Skutari, für welches er — 
wie er zu sagen pflegt — seine letzte Ziege zu opfern und seine letzte 
Patrone zu verschießen gesonnen ist, Montenegro zu überlassen. Skutari 
als Brennpunkt des katholischen Albanesentums sollte nicht vom künftigen 
Albanien ausgeschlossen bleiben. Ich habe diesbezüglich einen aufreiben¬ 
den Kampf nach mehreren Fronten (Rußland, Italien, Frankreich und Eng¬ 
land) auszufechten; auch hier läßt uns unser südlicher Alliierter total 
im Stiche. 
*) Vergleiche mein Essay vom 28. Oktober 1912, Seite 323. 
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