Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Eine seit Dezennien schwebende Frage bildete die höchst ungünstige 
Grenzgestaltung in der Bucht von Cattaro. Sie gab diesen südlichsten 
Kriegshafen der Monarchie der dominierenden Sicht und dem Feuer 
der Montenegriner preis und verwehrte einen auch nur halbwegs 
günstigen fortifikatorischen Abschluß nach der Landseite. Erst der Besitz 
des Lovcen-Massivs (1759 m Seehöhe) und des von diesem nordwärts 
über den Tatinjak und Vrsanj ziehenden Grenzrückens hätte dieses Übel 
zu beseitigen vermocht. 
In einem Schreiben vom 23. Dezember bezeichnete nun der k. u. k. 
Militärattache in Cetinje, Major Hubka, den Moment für eine friedliche 
Lösung dieser Frage anscheinend günstig und schlug vor, hiezu Skutari 
Montenegro zuzusprechen, wenn es dafür das Lovcen-Gebiet der Monarchie 
abtreten würde. Er schrieb : 
„Montenegro ist gegenwärtig militärisch erschöpft und politisch hilf¬ 
los. Der König bangt vor einer dynastischen Krise, und er erkennt 
nunmehr, daß Rußland geographisch zu weit entfernt ist, und daß es 
in ernsten Zeiten anderen wichtigeren Interessen Rechnung tragen muß, 
um Montenegro den bisher stets erhofften Anschluß und Rückhalt bieten 
zu können. 
Während der jüngsten Kriegsereignisse in engerem, oft tagelang 
ununterbrochenem Kontakt mit dem König lebend, habe ich den Eindruck 
gewonnen, daß dieser derzeit — unter gewissen Bedingungen — für 
einen bleibenden Wechsel seiner politischen Richtung, insbesondere 
aber auch für die fragliche Grenzregulierung zu gewinnen wäre. 
Nebst handelspolitischen und ökonomischen Begünstigungen im 
Anschlüsse an das wirtschaftliche Getriebe der Monarchie bestünde die 
hauptsächlichste Bedingung für die Abtretung eines Grenzstreifens im 
Kuk-Lovcen-Gebiete in der Initiative und Unterstützung 
Österreich-Ungarns bei Zuerkennung von Skutari samt Küsten¬ 
gebiet bis an den Drin an Montenegro. 
Eine zweite, jedoch minder ausschlaggebende Bedingung wäre die 
Überlassung eines dem abgetretenen Gebiete räumlich gleichwertigen 
Territoriums irgendwo an der herzegowinischen Grenze oder im Sandzak. 
Dieser Handel würde den König in den Augen seiner Untertanen nicht 
des Nimbus als „Mehrer des Reiches“ berauben, würde nebstbei auch 
der ö.-u. Monarchie den Vorwurf gehässiger Politiker ersparen, daß sie 
es — trotz gegenteiliger Versicherungen — auf territorialen Gewinn 
abgesehen habe.“ 
So sehr ich stets ein Anhänger des Versuches war, Montenegro auf 
friedlichem Wege zum dauernden Anschluß an die Monarchie zu bringen,. 
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