Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Darüber zu reden, was später beim Wiedereintritte normaler Ver¬ 
hältnisse zur gänzlichen Behebung der bei den territorialen Truppen 
konstatierten Übelstände geschehen sollte, hat Zeit. Aber auch dabei 
heißt es nicht vom Kleinen in das Große denken, sondern das Große 
voranstellen. 
Endet die dermalige Spannung so, wie es das Lebensinteresse der 
Monarchie fordert, dann werden damit auch alle Ursachen beseitigt sein, 
welche die Verläßlichkeit eines Teiles der Bevölkerung von B. H. D. jetzt 
fraglich machen. Im Gegenfalle aber würde man vermutlich bald von 
direkter »Unverläßlichkeit« der sich hier ergänzenden Truppen hören. 
Also auch in dieser Richtung wird die Entscheidung der jetzigen Krise 
für alles weitere maßgebend sein. 
Gott gebe uns alles, nur kein schwächliches Zurückweichen in diesen 
schweren Stunden. 
Mit herzlichen Grüßen Dein treu ergebener 
o • 01 u ,0,0u Potiorek, FZM. 
Sarajevo, am 21. Dezember 1912.“ ’ 
Auch bei Wiedereinsetzung in meine Stellung als Chef des General¬ 
stabes hatte ich — wie früher — die Militärattaches beauftragt, 
mir über alle militärisch bedeutungsvollen Vorkommnisse nicht nur rein 
amtlich, sondern, wo es die Umstände erheischten, auch brieflich zu 
berichten. 
So erhielt ich von unserem jungen, aber sehr zutreffend beobachten¬ 
den Militärattache in London, Major Horvath, am 24. Dezember 1912 
das nachstehende Schreiben: 
„London, am 20. Dezember 1912, 5 Uhr nachm. 
Euer Exzellenz! 
In meinen telegraphischen Berichten Nr. 156 und 157 vom 18. d. M. 
habe ich über das Ergebnis der bisherigen Beratungen der Botschafter¬ 
konferenz kurz gemeldet. Indem ich mir die Freiheit nehme, diese Zeilen 
an E. E. zu richten, will ich nunmehr auch über den Verlauf und die 
beeinflußenden Faktoren dieser wichtigen Besprechungen berichten. 
Vom Vorsitzenden Sir Edward Grey wurde als erste Frage die 
Zukunft Albaniens aufgeworfen. Unser Botschafter erklärte, Österreich 
wünsche, daß Albanien ein selbständiger und lebensfähiger Staat werde. 
Der russische Botschafter kam mit einem ergänzenden Vorschlag, der 
deutlich zeigte, daß Rußland nicht gerade den heißesten Wunsch hegt, 
die Grundlagen für konsolidierte Zustände zu schaffen, sondern vielmehr 
bestrebt ist, den Keim für künftige Mißstände zu säen. Graf Benckendorff 
schlug nämlich vor, daß Albanien einen autonomen Staat unter der 
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