Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Montenegro verfolgte seine eigenen, auf Albanien gerichteten 
Bestrebungen, sein Königshaus lag in Zwietracht und Rivalität mit 
jenem Serbiens, so daß es bei kluger Politik nicht ausgeschlossen 
erschien, Montenegro als Gegner auszuschalten, andernfalls aber durch 
Albanien militärisch zu binden; übrigens war Montenegro Ende 1912 
militärisch erschöpft; 
Rumänien verfolgte damals noch Ziele, bei denen es in Einklang 
mit Österreich-Ungarn stand. Das Bundesverhältnis, sowie die militä¬ 
rischen Vereinbarungen zwischen beiden Staaten waren erst kürzlich 
enger gestaltet worden; 
Italien war eben in die Erneuerung des Dreibundes ein¬ 
gegangen; 
Griechenland war abseits liegenden Aspirationen zuge¬ 
wendet; 
die T ü r k e i hatte sich aufgerafft und war im Erholen begriffen. 
Bleibt: Rußland! 
Ob die offiziellen Kreise Rußlands, vor allem das Herrscherhaus, 
einen Krieg beginnen würden, der den Untergang von Reich und 
Dynastie besorgen ließ, war fraglich, aber für alle Fälle war Rußland 
im Jahre 1912 für einen Krieg weit weniger vorbereitet, als es dies 
einige Jahre später sein würde, auch war der Ring der Entente noch 
nicht so fest geschmiedet, wie er es mit jedem kommenden Jahr immer 
mehr zu werden drohte. 
Serbien, den unversöhnlichen, zielbewußten, nie ablassenden, von 
Rußland unterstützten Feind der Monarchie niederzuwerfen und damit 
den vital bedrohten Reichsbestand zu sichern, war der Kern der Frage. 
Alles andere, wie Albanien, Hafenfrage, Donau—Adria-Bahn etc. waren 
nebensächliche Begleiterscheinungen; mit einem Erfolg in letzteren 
Dingen war der Kern der Frage nicht getroffen, auf diesen aber kam 
es an. 
Die letzte, die elfte Stunde für diese Lösung schien mir gekommen. 
Wie sich nun meine dienstliche Tätigkeit in diesen Gedankengang 
einfügte, sollen nachfolgende Details ergeben. 
Am 14. Dezember 1912 hatte ich eine Audienz bei Erzherzog Franz 
Ferdinand, in der ich mit ihm die allgemeinen militärischen, sowie die 
obdargelegten politischen Verhältnisse, speziell auch die albanische 
Frage besprach. Bezüglich Albaniens deckten sich meine Anschauungen 
nicht ganz mit jenen des Ministers des Äußern, denn während dieser 
die Neutralisierung Albaniens im Auge hatte, hielt ich ein Albanien, 
das durch keine Neutralitätspflicht gebunden, unter dem Protektorat der 
Monarchie steht, für zweckmäßiger. Ich hatte dies auch in einem an Oberst 
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