Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Die Friedensstärke vor dem Kriege der bulgarisch-serbischen Armee 
betrug 9+5 Infanteriedivisionen. Mit der territorialen Vergrößerung 
dieser Königreiche wird und muß auch die Vergrößerung ihrer Streit¬ 
kräfte Schritt halten, man wird ihre Gesamtfriedensstärke in wenigen 
Jahren, je nach den Gebietserweiterungen, auf mindestens 16—20 
Infanteriedivisionen schätzen dürfen. Bei einem späteren Kriege gegen 
Rußland müßte Österreich-Ungarn daher nahezu die Hälfte seines 49 
Infanteriedivisionen betragenden Friedensstandes — und zwar deutsche 
Truppen — zunächst gegen die slawischen Balkanstaaten in Rechnung 
stellen. 
»Carpe horam!« muß man Österreich-Ungarn und Rumänien zurufen, 
und zwar um so dringlicher, als Rußland — Rußland, auf dessen aktive 
Hilfe die Balkanstaaten vielleicht rechnen — zu diesem Zeitpunkt — ich 
wiederhole früher Gesagtes nachdrücklich — unter keinen Umständen 
das Schwert ziehen wird, mag es noch so viel mit geheimnisvollen Mobil¬ 
machungsmaßnahmen demonstrieren. Ein kriegerisches Einschreiten 
erlauben ihm weder seine Finanzen, noch seine teilweise lückenhafte 
Rüstung, noch das gänzliche Fehlen einer Flotte, noch die Befürchtung 
von sofort emporlodemden Aufständen in Finnland, in Polen, im 
Kaukasus und im Innern, noch schließlich die Rücksicht auf seinen 
französischen Alliierten, der in schwerer Sorge um Nordafrika sein müßte. 
Rußland verkündet offiziell laut seine Friedensliebe, der Not gehorchend, 
nicht dem eigenen Triebe; sie ist wirklich aufrichtig gemeint. 
Die Tripleentente handelt vom militärischen Standpunkt aus durch¬ 
aus richtig, wenn sie jede Auseinandersetzung mit dem Schwert zwischen 
Österreich-Rumänien und Serbien-Bulgarien jetzt vermieden zu sehen 
wünscht; aber in einigen Jahren? Ja, dann liegt die Sache anders: Ru߬ 
land bereit und im Besitz einer Flotte, Bulgarien und Serbien erholt von 
den jetzigen Wunden, Frankreich in Marokko sicherer gebettet, Rumänien 
vielleicht in die Zwangslage gebracht, sich von Österreich-Ungarn los¬ 
sagen zu müssen, und die slawischen Südprovinzen Österreichs unruhiger, 
als sie es heute schon sind. 
Wenn es dagegen heute dem Dreibund und Rumänien, gestützt auf 
ihre ungeheuren Machtmittel, gelingt, den slawischen Ausbreitungs- und 
Großmannsgelüsten einen festen Damm entgegenzusetzen, so wird der 
Friede nicht nur heute, sondern auf Jahre hinaus damit erhalten . . . .“ 
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