Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Dementgegen hat nun die Haltung Serbiens allmählich eine Richtung 
genommen, die nicht nur ein solches friedliches Übereinkommen aus¬ 
zuschließen scheint, sondern die darauf hinausläuft, nicht nur diese 
Interessen hintanzusetzen, sondern auch die Monarchie in ihrem Staats¬ 
bestand und in ihrem Prestige zu bedrohen. 
Wenn die Monarchie trotzdem bisher diesem Vorgehen mit über¬ 
legener Ruhe und kühlem Abwägen gegenüberstand, so geschah dies 
ausschließlich und allein nur, weil sich die Monarchie bewußt ist, daß 
ihr kriegerisches Auftreten gegen Serbien aller Wahrscheinlichkeit nach 
kriegerische Verwicklungen zur Folge haben würde, die ganz Europa 
mitreißen würden. 
Das schwere Elend, das hiedurch über Europa hereinbrechen, die 
enorme wirtschaftliche Schädigung, welche dies zur Folge haben und 
das Übergewicht, welches die außereuropäischen Staaten damit gewinnen 
würden, vor Augen habend, ist sich die Monarchie klar darüber, daß 
sie mit dem Eintritt in die kriegerische Aktion nicht nur für sich, sondern 
für ganz Europa entscheidet. 
Wenn jedoch Serbien in seiner herausfordernden Haltung beharrt, 
die Interessen der Monarchie beiseite setzt und ihr die Genugtuung für 
sein völkerrechtswidriges Gebaren versagt, dann wird die Monarchie, 
hiemit zum äußersten getrieben, den Kampf aufnehmen, möge er aus¬ 
gehen, wie er wolle. 
Dieses Rundschreiben müßte im gut gewählten Moment erlassen 
werden, dabei müßte man gewärtig sein, demselben beim ersten Zeichen 
feindlichen Auftretens anderer Mächte sofort die Mobilisierung folgen 
zu lassen. 
Es ist sehr bedauerlich, daß es so weit gekommen und die Monarchie 
— zu unentschlossen, um in initiativer Weise einen unvermeidlichen Krieg 
geeigneten Momentes selbst zu beginnen — nunmehr gezwungen 
ist, sich denselben aufdrängen zu lassen. 
Vielleicht läßt er sich durch den im vorliegenden Essay angeführten 
Schritt noch Vermeiden, wenn nicht, so muß er eben geführt werden. 
Hätte man im Jahre 1908/09 meinem dringenden Rat, den auch schon 
vorbereiteten Krieg gegen Serbien zu führen, Folge gegeben, so stünden 
die Dinge heute anders. 
Conrad, G. d. I.“ 
Auch diesen Essay sandte ich wie die früheren an die drei schön 
wiederholt genannten Stellen, speziell an Graf Berchtold mit folgendem 
Begleitbrief: 
341
	        
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