Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Finanzminister Djavid Pascha und nach Scheitern des Versuches, bei 
Frankreich eine Anleihe aufzunehmen, erhielt die Türkei eine solche bei 
Deutschland im Betrage von 11 Millionen türkischen Pfunden (200 Mil¬ 
lionen Mark). Auch dadurch knüpften sich engere Beziehungen zwischen 
beiden Staaten, womit auch Österreich-Ungarn zu rechnen hatte. Die 
Verstimmungen zwischen der Monarchie und der Türkei, hervorgerufen 
durch die Annexion von B. H., hatten sich gelegt. Schon im Vorjahre, 
gelegentlich meines persönlichen Verkehrs mit Mahmud Schefket Pascha, 
konnte ich dies bemerken. Ich hatte ihn bei den deutschen Manövern in 
Mergentheim getroffen. 
Der latenten Gefahr, die der Türkei seitens Bulgariens drohte, ist 
bereits gedacht, dazu kamen schwere Verwicklungen im Reiche selbst. 
In Arabien waren die Scheiks Idris und Jahia im Aufstand, auch in 
Albanien war ein Aufstand ausgebrcchen und in Mazedonien die Ruhe 
nicht wiedergekehrt. Die Beziehungen der Türkei zu den Großmächten 
schildert ein Bericht vom 16. Oktober 1910 des k. u. k. Militärattaches 
in Konstandnopel wie folgt: 
„Konstantinopel, am 16. Oktober 1910. 
Euer Exzellenz! 
Schneller als man es nach der allgemeinen Lage erwarten konnte, 
ist in dem politischen Verhältnis der Mächte der Tripleentente zur Türkei 
eine wesentliche Änderung eingetreten. Die bisher so herzlich scheinende 
Freundschaft ist im Laufe der letzten zwei Monate erkaltet und an Stelle 
der früheren, allerdings nie ganz echten Intimität traten gegenseitige Be¬ 
schuldigungen und direkte Schikanen gegen die Türkei. 
Zuerst war es England, welches aus seiner Unzufriedenheit mit 
dem Lauf der Dinge in der Türkei kein Hehl machte und seine Sprache 
gegenüber dem bisherigen Schützling radikal änderte. Frankreich 
und Rußland vermochten zwar etwas länger die Maske der Freund¬ 
schaft zu bewahren, doch im August sahen sich auch diese Mächte ver¬ 
anlaßt, dem Beispiele Englands zu folgen und der Pforte ihre Mi߬ 
billigung bezüglich ihrer Politik zu erkennen zu geben. Es ist nur eine 
Konsequenz dieser Sinnesänderung der Westmächte, wenn die Türkei 
nunmehr zu trachten scheint, ihre Beziehungen zu Deutschland und 
zu unserer Monarchie wärmer zu gestalten. 
Über die Gründe der Unzufriedenheit Englands mit dem jung¬ 
türkischen Regime habe ich bereits wiederholt Gelegenheit gehabt, Bericht 
zu erstatten. Sie liegen hauptsächlich darin, daß die englischen Unter¬ 
nehmungen auf türkischem Gebiete, z. B. die Lynchkompagnie, dann die 
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