Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

durch das voll eingeweihte Rußland diplomatische Vorstellungen in 
Belgrad, Cetinje, Sofia und Athen. An die Pforte erging am 10. Oktober 
eine gemeinsame Note aller Großmächte, in der sie den Krieg verwarfen, 
Reformen verlangten und erklärten, keine Gebietsänderung 
am Balkan zuzulassen, wie immer der Krieg auch enden möge. 
Dieser ganze diplomatische Aufwand zerfiel in Nichts, da König 
Nikita von Montenegro am 8. Oktober, kurz vor Eintreffen der 
Erklärung der Großmächte, den Krieg eröffnet hatte, sei es, um 
ihn unbedingt in Fluß zu bringen, sei es, wie damals behauptet wurde, 
wegen eines finanziellen Geschäftes. 
Bulgarien, Serbien und Griechenland gaben auf die gemeinsame 
Note Österreich-Ungams und Rußlands überhaupt keine Antwort und 
richteten am 13. Oktober ein Ultimatum an die Pforte, in dem 
sie forderten: 
Ernennung eines belgischen oder schweizerischen Statthalters in den 
gemischten Vilajets*), Berufung von Provinzial-Landtagen, Vertretung 
der Christen im Parlament, Gleichstellung der christlichen und 
mohammedanischen Schulen, Überwachung dieser Reformen durch die 
Großmächte und die vier Balkanstaaten**). 
Die Türkei gab auf diese, ihre Souveränität völlig vernichtenden 
Forderungen keine Antwort und stellte am 17. Oktober 1912 dem 
serbischen und dem bulgarischen Gesandten die Pässe zu. Ihr Versuch, 
sich in der Kretafrage mit Griechenland zu einigen, scheiterte, da Venizelos 
bereits am 14. Oktober in Athen die Vereinigung der kretensischen mit 
der griechischen Kammer und damit Kretas Abfall vom Osmanischen 
Reich ausgesprochen hatte. 
Am 17. Oktober 1912 abends erklärten Serbien, Bulgarien und 
Griechenland den Krieg an die Türkei, die jetzt — wie schon früher 
erwähnt — mit Italien den Frieden von Lausanne schloß, um am Balkan 
freie Hand zu bekommen. 
Energisch traten die Balkanstaaten in die kriegerische Aktion. Von 
Montenegro abgesehen, das Skutari nicht zu nehmen vermochte, waren 
schon ihre ersten Erfolge sehr bedeutend, ihre Überlegenheit aus¬ 
gesprochen. Wohl kam für diese Überlegenheit in Betracht, daß die 
Türkei ihre Wehrmacht jahrelang vernachlässigt und in Verkennung der 
hereinbrechenden Gefahr Reservisten in großer Zahl entlassen hatte. 
*) Das ist in den nicht rein mohammedanischen. 
**) Man vergleiche damit das so angefeindete ö.-u. Ultimatum vom 
Jahre 1914, das die auf das brutalste herausgeforderte Monarchie an 
Serbien gerichtet hatte.
	        
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