Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Seine Majestät: „Ich sage gleich: die fortwährenden Angriffe gegen 
Ährenthal, diese Nadelstiche verbiete Ich.“ (Seine Majestät war sehr erregt 
und erbost.) 
Ich: „Euer Majestät bitte ich zu gestatten, daß ich meine Ansichten 
sage, wie ich sie eben habe; Euer Majestät entscheiden dann.“ 
S. M.: „Diese fortwährenden Angriffe, besonders die Vorwürfe wegen 
Italien und des Balkan, die sich immer wiederholen, die richten sich gegen 
Mich; die Politik mache Ich, das ist Meine Politik!“ 
Ich war jetzt in einer peinlichen Lage, der Kaiser war persönlich 
verletzt. 
Ich: „Ich kann nur wiederholen, daß ich meine Ansichten so nieder¬ 
schrieb, wie ich sie mir ableitete. Euer Majestät können ja zu jeder 
Ansicht hinzusetzen: »f a 1 s c h«. Das ist in der Macht Euerer Majestät.“ 
Hierauf legte ich die Denkschrift ruhig auf den Schreibtisch, bat, sie Aller¬ 
gnädigst entgegenzunehmen und sagte kurz deren Inhalt. 
S. M.: „Meine Politik ist eine Politik des Friedens. Dieser meiner 
Politik müssen sich alle anbequemen. In diesem Sinne führt Mein 
Minister des Äußern Meine Politik. Es ist ja möglich, daß es zu diesem 
Krieg kommt; auch wahrscheinlich. Er wird aber erst geführt werden, 
bis Italien uns angreift.“ 
Ich: „Wenn nur die Chancen dann auch für uns günstig liegen!“ 
5. M.: „Solange Italien uns nicht angreift, wird dieser Krieg nicht 
geführt. Überhaupt war bis jetzt bei uns nie eine Kriegspartei.“ 
Ich: „Diejenigen, die verpflichtet sind, zu sorgen, daß alles 
vorbereitet ist, wenn der Krieg ausbricht, damit man nicht von Haus aus 
in schwierige Lage komme, dürfen das Wort »Krieg« nicht aus¬ 
sprechen, weil sie sonst beschuldigt werden, der »Kriegspartei« 
anzugehören.“ 
S. M.: „Vorbereitet sein muß man.“ 
Hierauf machte Seine Majestät Bemerkungen gegen den deutschen Kron¬ 
prinzen wegen seines Betragens gegenüber dem Parlament und fügte bei: 
„Das wird ja bei uns nicht Vorkommen, aber Ansätze dazu sind da“*). 
Nach einer Pause flaute die Erregung des Kaisers, der überaus 
ergrimmt war, allmählich ab. Die übrigen Punkte, die ich in der Audienz 
vorzubringen hatte, wurden im allgemeinen glatt erledigt. 
Da Seine Majestät meine Denkschriften stets auch dem Minister des 
Äußern zur Kenntnis zu geben pflegte, war dies wohl auch mit jener 
vom 15. November 1911 geschehen. 
*) Eine Bemerkung, die offensichtlich gegen den Thronfolger 
gerichtet war. 
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