Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

betreffen, und namentlich müßte ich dagegen Stellung nehmen und jede 
Verantwortung ablehnen, wenn es sich dabei um die von Freiherrn von 
Conrad ins Auge gefaßte These eines Krieges mit Italien handeln 
sollte. 
Gewiß, die Schwäche der einander folgenden italienischen Regie¬ 
rungen schließt Überraschungen nicht aus, und es können sich vielleicht 
einmal Situationen ergeben, in denen uns Italien nicht als Freund und 
Bundesgenosse zur Seite steht. Das soll von mir nicht bestritten werden; 
aber man sollte es doch vermeiden, die Herbeiführung einer solchen 
Situation zu beschleunigen. 
Wenn wir aber heute schon an der italienischen Grenze in forcierter 
Weise Befestigungen anlegen, Truppenverschiebungen ausführen und 
andere offen zutage tretende militärische Maßregeln mit leicht erkenn¬ 
barem Zweck ergreifen, muß in der öffentlichen Meinung der Gedanke 
erweckt werden, daß der Krieg mit Italien ein beschlossenes und je eher 
zu beginnendes Unternehmen ist. 
Dadurch wird jeder italienischen Regierung, mag sie auch vom 
besten Willen beseelt sein, die Stellung außerordentlich erschwert; es 
wird damit aber auch das große, ohnehin in gewissen italienischen 
Kreisen gegen uns bestehende Mißtrauen gerechtfertigt und das peremp¬ 
torische Verlangen erzeugt, durch Gegenmaßregeln der von uns drohenden 
Gefahr vorzubeugen. 
Wenn sich einmal auch in maßgebenden Kreisen Italiens die Über¬ 
zeugung festsetzt, daß bei uns eine Militärpartei existiert, welche den 
Krieg mit Italien für unvermeidlich hält und ihn durchsetzen will, so 
wird vor allem der Allianzgedanke, der in der letzten Zeit in allen 
Schichten der Bevölkerung eine erfreuliche Stärkung erfahren hat, dar¬ 
unter zu leiden haben. 
Da ich nun die vornehmste Aufgabe darin erblicke, Friedens¬ 
garantien zu schaffen und nach allen Seiten den Frieden zu erhalten, 
so lange dies mit unseren Interessen und mit unserer Ehre vereinbar 
ist, kann es mich nicht gleichgültig lassen, wenn durch forcierte 
militärische Maßnahmen unsererseits in Italien eine dem Bundesverhält¬ 
nisse hinderliche Stimmung erhalten wird, der sich auch die Regierung 
nicht entziehen könnte. 
Unter solchen Umständen müßten sich die Verhandlungen wegen 
Erneuerung des Allianzvertrages schwierig gestalten und daß, wenn 
eine solche nicht erfolgen sollte, die Möglichkeit einer feindseligen 
Haltung Italiens sehr in die Nähe gerückt wäre, ist E. E. bekannt und 
braucht nicht näher ausgeführt zu werden. 
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