Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

hinsichtlich der russischen Karten wurde dahin beantwortet, daß jene 
1 :126.000 und jene 1 :420.000 minder genau, aber trotzdem als karto¬ 
graphische Grundlage östlich des Meridians von Rowno unentbehrlich 
seien, da für diesen Raum Kopien der neuen Karte 1 :42.000 noch nicht 
erlangbar waren. Beigefügt wurde, daß alle brauchbaren russischen 
Karten in unserer Generalkarte 1 :200.000 verwendet sind, die überdies 
auch durch Rekognoszierungen ergänzt und evident gehalten werde. 
ln einer Audienz am 11. November 1910 berichtete ich auch Seiner 
Majestät über diese Angelegenheit, sowie über die rumänischen Auf¬ 
marscharbeiten. 
Rumäniens Politik befand sich auch 1910 in der zwiespältigen Lage : 
einerseits in Sorge vor dem russisch-slawischen Druck, Anschluß an 
Deutschland und Österreich-Ungarn zu suchen, andererseits mit Serbien 
— dem Satelliten Rußlands — freundschaftliche Beziehungen anzustreben. 
Rumänien glaubte Serbiens gegen Bulgarien zu bedürfen. 
Die seinerzeit mit der Türkei abgeschlossene Militär-Konvention, 
über welche General von der Goltz*) im Aufträge Sultan Abdul Hamids 
in Bukarest verhandelt hatte, bestand nicht mehr; ihre Erneuerung war 
nicht erfolgt. General von der Goltz, der am 16. November 1910 von 
Konstantinopel nach Berlin reiste und von König Carol von Rumänien 
eingeladen worden sein soll, auf der Rückreise sich in Bukarest aufzu¬ 
halten, meinte diese Einladung mit Rücksicht auf Preßkommentare nicht 
annehmen zu sollen und wählte seinen Rückweg über Belgrad und Sofia. 
Rußland. Rußland litt noch unter den Folgen des japanischen 
Krieges und der Revolution, die trotz des gewaltsam niedergeschlagenen 
Bolschewiken-Aufstandes fortdauernd nachzitterte. 
Die auf Wittes Rat durch Zar Nikolaus II. am 30. Oktober 1905 
gewährte Duma**) hatte infolge maßloser, sowohl von den Sozialdemo¬ 
kraten, als auch von den Bauern erhobener revolutionärer Forderung.n 
eine zweimalige Auflösung erfahren (1906 und 1907). Erst jene vom 
Jahre 1908 erwies eine längere Lebensdauer, bis auch sie im Jahre 1910 
zur Vertagung gelangte wegen Ablehnung eines von Stolypin eingebrach- 
ten Gesetzes, der nach Wittes Rücktritt am 5. Mai 1906 zum Minister 
ernannt worden war. Im April desselben Jahres schränkte auch ein 
Gesetz vom 10. Juni die Rechte des noch über ein eigenes Parlament 
verfügenden Finnland wesentlich ein, was zu Gärungen in Finnland 
führte. 
*) Leiter der militärischen Reformen in der Türkei; s'.arb als 
deutscher Generalfeldmarschall während des Weltkrieges in Bagdad. 
**) Volksvertretung. 
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