Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

militärischer Vorsorgen seitens des Ministeriums des Äußern nicht nur 
keine Hemmungen, sondern die weitestgehende Förderung erfahre, da 
ja doch die schlagbereite Wehrmacht der Monarchie der wichtigste reelle 
Faktor ist, auf den sich die äußere Politik in schwierigen Lagen zu 
stützen vermag, um ihre Ziele zu erreichen und schließlich doch nur 
der Starke seinen Willen durchsetzt, und zwar auch dann, wenn dieser 
Wille auf die Erhaltung des Friedens gerichtet wäre. 
Als vollgültiges Beispiel dafür bitte ich E. M., die in die Zeit der 
Amtsführung des Grafen Ährenthal fallende Annexionskrise a. u. 
anführen zu dürfen, in der unsere militärische Schlagfertigkeit mit dem 
durch die Kriegsvorsorgen dokumentierten ernsten Willen zur Tat ohne 
Schwertstreich den Zweck der äußeren Politik erreicht hat, die Anerken¬ 
nung der Annexion zu erringen und den Frieden zu erhalten. 
Die in den eingangs erwähnten Korrespondenzen der letzten 
Monate aufgetretene Divergenz in den Anschauungen bezieht sich 
hauptsächlich auf unser eigenartiges Verhältnis zu Italien. Weit davon 
entfernt, Bedenken gegen das größte politische Entgegenkommen und 
gegen die freundschaftlichsten Formen des diplomatischen Verkehres zu 
äußern, muß ich doch, pflichtgemäß und unbeirrt, meine Bemühungen 
darauf richten, daß unserseits hinter den ganz offenbar und ausschlie߬ 
lich gegen Österreich-Ungarn gerichteten Kriegsvorsorgen Italiens nicht 
— wie dies jetzt schon der Fall ist — allzuweit zurückgeblieben werde. 
Auch in Italien gehen der umfassende Ausbau der Wehrmacht, die 
Friedensdislozierung der Truppen an der Nordostgrenze, die an Umfang 
und Schnelligkeit einzig dastehenden, nur gegen uns gerichteten Befes¬ 
tigungsbauten, der rationelle Ausbau der Aufmarschbahnen nach 
Venetien, die intensivste Ausgestaltung des Grenzschutzes und der Frei- 
willigen-Formationen, sowie der regste Kundschafterdienst Hand in 
Hand mit den freundschaftlichsten Versicherungen und mit den kon¬ 
ziliantesten diplomatischen Formen. 
Da aber die positiven Ziele und Tendenzen, im Sinne einer natio¬ 
nalen Politik, zu geeignetem Zeitpunkte ein agressives Auftreten von 
Seite Italiens erwarten lassen, während uns ein solches Auftreten bei 
der bloß erhaltenden Tendenz der Monarchie unbedingt fernliegt, ist es 
selbstverständlich, daß unsere militärischen Gegenmaßnahmen, die, wie 
schon erwähnt, sehr erheblich hinter den Vorkehrungen Italiens Zurück¬ 
bleiben, wohl nur mit Absicht mißverstanden werden können. 
Niemals haben die weitgehenden Kriegsvorsorgen Italiens unsere 
Presse und öffentliche Meinung in Erregung versetzt oder unsere äußere 
Politik verhindert, pflichtgemäß die freundschaftlichsten Beziehungen 
anzustreben und zu betonen. Das offizielle Italien tut das gleiche, ist 
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