Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

türkischen Flotte zu rechnen haben. Die Befestigungen sind zwar sämtlich 
veraltet und mit alten, aus den Achtziger- und Neunzigerjahren stammen¬ 
den Geschützen armiert. In den Strandbatterien stehen fünfzehn 15 cm-, 
sechzehn 21 cm-, sechsunddreißig 24 un, zehn 26 cm-, zehn 28 cm- und 
sechs 35-5 cm Kanonen, in den Hochbatterien siebenundzwanzig 15 cm- 
Kanonen und vierzehn 21 cm-Mörser. Die neuen, für die Dardanellen 
und den Bosporus bestimmten 400 Stück Gehlschen Minen sollen erst 
in vierzehn Tagen in Konstantinopel eintreffen und man hat infolgedessen 
anfangs dieses Monats bei den Dardanellen zwei Reihen altartiger Minen 
gelegt. Es ist auch möglich und sogar wahrscheinlich, daß die sonst 
inferiore türkische Flotte in der Meerenge günstige Verhältnisse zum Ein¬ 
greifen finden könnte. 
Trotz der durchwegs veralteten Verteidigungsmittel wird nun nicht 
allein von türkischen, sondern auch von deutschen und englischen 
Offizieren eine Forcierung der Dardanellen durch die italienische Flotte 
für kaum möglich gehalten. Admiral Williams, mit welchem ich die Even¬ 
tualität dieser Operaücn eingehend zu besprechen Gelegenheit hatte, ist 
der Meinung, daß ein möglichst rasches Durchfahren der Meerenge noch 
immer mehr Chancen des Gelingens hätte als die systematische Zerstörung 
und Demontierung der einzelnen Strand- und Hochbatterien, welche 
schon durch ihre Anlage gegen das Weitfeuer der Schiffe meist geschützt 
sind. Jedenfalls würde das sukzessive Niederringen der einzelnen Befesti¬ 
gungen durch die moderne, weiterschießende Schiffsartillerie sehr lange 
Zeit erfordern, während welcher die italienischen Schiffe den türkischen 
Minen- und Torpedoangriffen ausgesetzt wären. Daß es auf alle Fälle 
ohne ernste Beschädigung und vielleicht Verlust einiger Schiffe nicht 
abgehen würde, kann als sicher angesehen werden. 
Nimmt man nun an, daß es der i.alienischen Flotte nicht gelingen 
würde, mit dem größten Teil der Schiffe ins Marmara-Meer einzudringen 
und vor Konstantinopel zu erscheinen, so fragt es sich, was hiemit für 
Italien gewonnen wäre. Der Sultan, das Parlament und die Zentral¬ 
behörden würden sich einfach außerhalb des Bereiches der Schiffs¬ 
geschütze etablieren und im übrigen Konstantinopel seinem Schicksal 
überlassen. Ein Bombardement des von Europäern bewohnten Galata 
und Pera ist kaum denkbar und die Zerstörung Stambuls und Skutaris 
mit ihrer an verheerende Brände gewohnten türkischen Bevölkerung 
würde auf die Entschließungen der Pforte so gut wie gar keine Wirkung 
ausüben. Wenn sich nun die Aktion vor Konstantinopel als unwirksam 
erweist, so muß für die italienische Flotte bald der Moment eintreten, 
das Marmara-Meer zu verlassen, und dies könnte unter Umständen sich 
noch schwieriger und verlustreicher gestalten als das Eindringen. 
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