Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

halten sollte. Es ist auch erwähnt, daß Seine Majestät mir befahl, ein 
diesbezügliches Schreiben an Graf Ährenthal zu richten. 
In diesem Schreiben vom 7. Feber 1910 hieß es: 
„Für das Jahr 1910 habe ich unter anderem auch den wohl kaum zu 
besorgenden Fall in Betracht gezogen, daß die Monarchie im Verein mit 
Deutschland und Rumänien in einen gleichzeitigen Krieg gegen Frank¬ 
reich, Rußland, Italien, Serbien und Montenegro verwickelt werde. Für 
diesen Fall sind die Vorbereitungen getroffen, daß der Hauptschlag zuerst 
gegen Italien zu erfolgen hätte, sowie Deutschland auch diesfalls ihn zuerst 
gegen Frankreich führen würde. 
Ich teile dies strengst geheim mit. Dies entspricht ganz auch den 
Anschauungen des deutschen Generalstabes, nur hat dieser auch die 
Möglichkeit hinzugefügt, daß sich ja Frankreich und Italien anfangs 
zuwartend verhalten könnten, um erst dann loszuschlagen, wenn die 
Verbündeten gegen Rußland und am Balkan bereits entscheidend 
engagiert sind. 
Für diesen Fall ist deutscherseits festgesetzt, daß, wenn der Krieg 
zwischen den Verbündeten und Rußland als unvermeidlich und unmittel¬ 
bar bevorstehend angesehen werden muß, seitens der deutschen Regie¬ 
rung eine umgehende und völlig klare Erklärung von der französischen 
Regierung darüber gefordert wird, wie sich dieselbe bei ausbrechendem 
Krieg zu verhalten gedenke. Diese Erklärung muß sofort erfolgen. Eine 
ausweichende oder zweideutige Antwort würde als gleichbedeutend mit 
der Kriegserklärung angesehen werden müssen. Erklärt Frankreich, 
strenge Neutralität wahren zu wollen, so verpflichtet sich auch Deutsch¬ 
land, keine Feindseligkeiten gegen dasselbe zu unternehmen. Da nun 
die Monarchie Italien gegenüber in der gleichen Lage ist, habe ich Seiner 
Majestät für den gedachten Fall ein analoges Vorgehen unsererseits vor¬ 
geschlagen.“ 
Ich bat in diesem Schreiben hierauf Graf Ährenthal um seine Meinung 
und fügte bei: 
„Es sei mir jedoch gestattet hinzuzufügen, daß ich bei voller Würdi¬ 
gung des deutschen Vorganges, als des bei einem Kriege gegen Rußland 
übrigens auch einzig möglichen, doch nicht umhin kann, zu erwägen, 
wie sehr man auch bei diesem Modus schließlich doch nur auf die Ehr¬ 
lichkeit der Neutralen angewiesen ist, daß ich daher vielmehr der Ansicht 
zuneige, sich vorerst mit Rußland auf ganz unverbindlichen neutralen Fuß 
zu stellen und bei einer Zwangslage Rußlands, die Gelegenheit des freien 
Rückens ausnützend, mit Italien abzurechnen, welch letzteres jeder Ent¬ 
wicklung der Monarchie, sei dies nun zur See oder zu Lande, feindlich 
gegenüberstehen wird.“ 
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