Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Ich erhöhte die Aufmerksamkeit nach dieser Richtung und wendete 
mich mit nachfolgendem Schreiben an Graf Ährenthal: 
_ _ „ , „Wien, am 24. September 1911. 
Euer Exzellenz! ” ’ r 
Auf Grund des mir von Seiner Majestät ein für allemal Allerhöchst 
erteilten Befehles, mich hinsichtlich aller wichtigen politischen Fragen 
mit E. E. in Kontakt zu erhalten, beehre ich mich an E. E. das vorliegende 
Schreiben zu richten: 
Während die zwischen Deutschland und Frankreich schwebende 
Marokko-Frage aller Voraussicht nach einer friedlichen Lösung entgegen¬ 
reift, ist die von Italien aufgegriffene tripolitanische Frage in ein Stadium 
getreten, welches meiner Ansicht nach nicht nur die höchste Aufmerksam¬ 
keit der Monarchie, sondern auch eine für die etwa erforderlichen 
militärischen Vorkehrungen bestimmende Stellungnahme erheischt. 
Es sei mir gestattet, an dieser Stelle meine rein subjektiven Anschau¬ 
ungen auszusprechen. 
Ich halte dafür, daß das politisch aufstrebende, national-ökonomisch 
prosperierende, sich militärisch rührigst entwickelnde und eine große 
nationale Idee verfolgende Italien daran festhält, die italienischen Gebiete 
der Monarchie zu erwerben, die Herrschaft in der Adria zu gewinnen, 
die Machtentfaltung der Monarchie auf dem Balkan zu hindern und an 
deren Stelle den eigenen Einfluß zu setzen, sowie daß es in Tripolis 
dieselbe Stellung anstrebt, wie Frankreich etwa in Algier und Tunis. 
In kluger Verfolgung dieser großen Ziele sucht es für das jeweilig 
Anzustrebende die günstigen Momente zu benützen, dabei die anderen 
scheinbar rückstellend, aber bereit, sie sofort wieder aufzunehmen, wenn 
die ersteren erreicht sind. 
Dem entspricht es ganz, daß Italien, welches jetzt den Moment hin¬ 
sichtlich Tripolis gekommen sieht, alles aufbietet, um sich unter schein¬ 
barer Rückstellung der übrigen Ziele die Freundschaft, Neutralität oder 
selbst Unterstützung jener Mächte zu erkaufen, zu welchen es die 
Verfolgung der anderen Ziele in Gegensatz bringen muß. Dies betrifft 
vor allem die Monarchie. 
Es drängt sich nun für diese die Frage auf, ob diese die auf die 
sukzessive Erreichung seiner weiten Ziele gerichtete Politik Italiens durch¬ 
kreuzen will oder nicht, also im vorliegenden Falle, ob sie sich den 
italienischen Aspirationen in Tripolis feindlich gegenüberstellen, sie 
dadurch verhindern oder ob sie, sobald Italien in Tripolis verwickelt ist, 
selbst mit Italien abrechnen will, um Italiens Absichten hinsichtlich der 
italienischen Gebiete der Monarchie, der Herrschaft in der Adria und der 
Stellung am Balkan für eine lange Epoche zu vereiteln.
	        
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