Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

ausgetragen hatten, Teile der Albanesen vorübergehend auf seine Seite 
zu ziehen. 
Die Pforte schritt mit militärischer Macht gegen den Aufstand ein, 
dessen Niederwerfung Schefket Thorgut Pascha auch bis auf die Berg¬ 
stämme der Malissoren und Mirditen allmählich gelang. 
Wie in maßgebenden türkischen Kreisen die Lage in Albanien 
beurteilt wurde, geht aus folgender Stelle eines am 4. Jänner 1911 
erhaltenen, vom 26. Dezember 1910 datierten Berichtes des k u. k. Militär¬ 
attaches in Konstantinopel Oberst Pomiankowski über seine Unterredung 
mit Izzet Pascha, dem türkischen Chef des Generalstabes, hervor; sie lautet: 
„Im weiteren Verlauf der Unterredung wies ich*) auf die Bedeutung 
des Zusammenwirkens zwischen Bulgarien und Montenegro einerseits und 
den Albanesen andererseits hin. Meine Bemerkung, daß Montenegro 
mittelst bulgarischer Subsidien die albanesischen Flüchtlinge erhält 
und dann bewaffnet und ausgerüstet in türkisches Territorium einfallen 
läßt, schien Izzet Pascha zu überraschen; er fragte lebhaft, ob denn die 
russischen Gelder hiezu nicht ausreichten. Ich antwortete darauf, daß 
meines Wissens die russischen Subsidien in diesem Jahre um 300.000 
Rubel gekürzt worden sind und übrigens in Cetinje jeder Zuschuß, von 
wo er auch kommen möge, stets abnehmbereite Hände finde. Die monte- 
negrinisch-albanesische Verständigung sei jedenfalls ein ernstes Symptom, 
welches von Seite der osmanischen Regierung volle Beachtung verdiene. 
Ich*) verhehlte dem Pascha auch nicht, daß ich das kommende Früh¬ 
jahr bis zu einem gewissen Grad als einen für die Türkei kritischen Zeit¬ 
moment ansehe Infolge der Erbitterung der Albanesen und ihrer gegen¬ 
wärtigen vollen Unverläßlichkeit im Kriegsfall ist die türkische Armee 
in Rumelien ganz isoliert und eigentlich in demselben Verhältnis wie in 
Feindesland. Überdies befindet sie sich mit Rücksicht auf die Reorgani¬ 
sation in einem Übergangsstadium, welches notwendigerweise auch ein 
gewisses Schwächemoment mit sich bringt. Ein so günstiger Augenblick 
wird sich den Feinden der Türkei wohl nicht so bald wieder darbieten 
und deshalb wäre es ganz erklärlich, wenn in Bulgarien, Griechenland 
und Montenegro Bestrebungen auftreten sollten, diese — vielleicht letzte — 
günstige Gelegenheit auszunützen Izzet Pascha schien meine Ansichten 
vollkommen zu teilen und sagte wörtlich: »Ja, diese unglückliche albane- 
sische Expedition; ich habe fortwährend davor gewarnt und dagegen 
gesprochen, aber alles nützte nichts. Jetzt müssen wir die Folgen davon 
tragen; zum Glück scheint man jetzt den Fehler eingesehen zu haben 
und eine andere Richtung einzuschlagen.«“ 
) Pomiankowski.
	        
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