Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Oder glaubte Graf Ährenthal, daß diese Gegner etwa warten 
würden, bis ihm der Augenblick gelegen schiene? 
Auch der „bloß erhaltende Charakter“ der Politik ver¬ 
langte, daß man jenen Gegnern gewachsen sei, deren Ziel eben die 
Zerstörung Österreich-Ungarns war. 
Über diese Gegner konnte man wohl nicht im Zweifel sein! Oder 
sah man es nicht? 
Die kurzen Hinweise kennzeichnen die klaffende Differenz zwischen 
meinen Anschauungen und jenen des Grafen Ährenthal hinsichtlich der 
Situation der Monarchie, eine Differenz, die schließlich zum Bruche 
führen mußte. 
Wie der Bruch sich vollzog, ergibt sich aus der späteren Dar¬ 
stellung der Vorgänge im Jahre 1911. 
Erzherzog Franz Ferdinand hatte die Gepflogenheit, Männer, zu 
denen er Vertrauen hatte und deren geistige Qualitäten er schätzte, 
an sich heranzuziehen und sie mit wichtigen Verwendungen zu betrauen. 
Dies betraf auch Graf Ottokar Czernin, der dieses Vertrauen in 
besonderem Maße genoß. 
Der Erzherzog, bemüht, die Wehrfrage mit allen Kräften zu 
fördern, hatte Graf Czernin — wie mir dieser auch in einem Schreiben 
vom 27. Feber 1911 aus Lapad bei Ragusa mitteilte — beauftragt, aus 
den verschiedenen fachmännischen Gutachten ein Ganzes zu formen, die 
militärischen, wirtschaftlichen und finanzpolitischen Fragen zu vereinen. 
Hiezu hatte ich ihm auf Weisung des Erzherzogs auch meine diesbezüg¬ 
liche Denkschrift zur Verfügung zu stellen. Ich bat Graf Czernin in 
einem Briefe vom 28. März 1911, die Denkschrift persönlich zu über¬ 
nehmen, und sagte zu, sein Elaborat durch verläßliche Kräfte kopieren 
zu lassen. 
So faßte ich wieder Hoffnung auf eine gedeihliche Wendung in 
der so dringenden Wehrfrage, als dieser eine neue Gefahr erstand. 
Die Vorgänge im österreichischen Parlament, durch welche die Aus¬ 
gleichsversuche zwischen Deutschen und Tschechen gescheitert und die 
Gegensätze nur verschärft wurden, rückten die Auflösung des Hauses 
nahe und damit eine weitere Verschleppung der Wehrfrage. In dieser 
Sorge richtete ich folgendes Schreiben an Exzellenz Bolfras. 
„Wien, 30. März 1911. 
Euer Exzellenz! 
Ich bitte E. E., mir die nachfolgenden Ausführungen zu gestatten: 
Ich menge mich prinzipiell nicht in innerpolitische Fragen. Wenn 
aber die seit Jahren stagnierende Heeresentwicklung derart in Frage 
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