Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

zur Verfügung gestellt hat. Diese Bereitwilligkeit war darauf zurück¬ 
zuführen, daß die berufenen Vertretungskörper in ihrem weitaus über¬ 
wiegenden Teil von der Notwendigkeit dieser Opfer durchdrungen waren, 
und daß die Regierungen zu erklären in der Lage waren, man habe sich 
die Leistungsfähigkeit der Bevölkerung vor Auge gehalten und biete die 
Garantie, daß in den nächsten fünf Jahren über diesen Rahmen hinaus 
keine Forderungen werden erhoben werden. 
Wollte man nun neuerdings über diesen Rahmen hinausgehen, 
würde die politische Situation hiedurch vollkommen umgeworfen werden; 
man würde bemerken, daß die Regierung nicht reell vorgegangen sei 
und es würden allenthalben ernste Zweifel auftauchen, ob die 
finanzielle Leistungsfähigkeit für solche Forderungen überhaupt aus¬ 
reiche; es würden dadurch eine solche politische Unsicherheit und ein so 
tiefgehendes Mißtrauen in Ungarn erzeugt werden, daß die k. ung. 
Regierung nicht daran denken könne, eine neue Vereinbarung in dieser 
Richtung einzugehen. Zudem hat die ungarische Regierung jetzt die 
Verabschiedung des neuen Wehrgesetzes vor Augen; diese bilde eine 
Hauptsache und ein so wichtiges Ziel, daß dasselbe um keinen Preis 
gefährdet werden dürfe; durch zehn Jahre hat der Streit um die 
Erhöhung des Rekrutenkontingents sozusagen ein ganzes Kapitel der 
politischen Geschichte Ungarns ausgefüllt, nun seien die Verhältnisse 
endlich besser geworden, diese dürfe man nicht wieder aufs Spiel setzen. 
Er wolle nicht in Zweifel ziehen, daß die in Rede stehenden Forderungen 
vom militärischen Standpunkte berechtigt seien und daß die Zeit viel¬ 
leicht kommen wird, wo wir an ihre Realisierung schreiten könnten und 
müßten. Im gegenwärtigen Augenblicke stehen dem aber ganz spezielle 
Momente politischer, finanzieller und wirtschaftlicher Natur entgegen. 
Denn ganz abgesehen von der Durchführung der Wehrreform sei man 
finanziell an der Grenze der Möglichkeit angelangt und es muß erst 
eine weitere Stärkung der heimischen Volkswirtschaft abgewartet werden, 
bis die finanzielle Kraft des Landes neben der noch in Aussicht stehen¬ 
den Ausgestaltung der Landwehr weitere militärische Lasten ertragen 
könnte Im jetzigen Budget findet sich für weitere Auslagen keine 
Deckung, da die zukünftige Entwicklung desselben schon für die 
Befriedigung der gegenwärtigen Anforderung ausgenützt sei. 
Die Regierung würde demnach des Leichtsinnes geziehen werden 
können, wenn sie nunmehr die Steuerkraft des Landes in einer Weise 
anspannen würde, welche die bereits im vorhinein in Anspruch genom¬ 
mene zukünftige Entwicklung der Volkswirtschaft unterbinden würde. 
Aber auch die vom Herrn Chef des Generalstabes angeregten Aus¬ 
wege aus der gegenwärtigen Situation seien geeignet, die schwersten 
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