Volltext: Geschichte des Landes ob der Enns. Erster Band (Erster Band 1846)

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befolgt, wenn es auch sehr beschwerlich war; Religion war nur ein dunkles Ge¬ 
fühl, ohne wahre Aufklärung, mit Ueberspannung und traurigen Auswüchsen, sie 
bestand oft nur in Bußübungen der sonderbarsten Art, Fasten und unverstandenen 
Gebeten, in Wallfahrten in weit entlegene Länder hin; aber ferne war von 
ihnen die Anbetung Gottes im Geiste und in der Wahrheit, jene christliche Liebe 
gegen die Mitmenschen, welche doch das Grundgesetz der Religion Jesu ist. 
Welche Gewaltthätigkeit gegen Fremde und Einheimische, Unterdrückung der 
Hörigen, Grausamkeit gegen Leibeigene! Wegelagerung, Raub und Mord wur¬ 
den als Ehrensache betrachtet, Kirchen und Klöster geplündert und nach vollbrach¬ 
ten unmenschlichen Thaten glaubte man durch irgend eine Stiftung sich mit Gott 
auszusöhnen, oder durch übertriebene schwärmerische Bußübungen seine Sünden 
zu vertilgen. Ein Beispiel davon.im Großen gaben die Geißler oder Fla¬ 
gellanten in jenen Zeiten. Viele Reiche und Arme, Ritter und Bauern zogen, 
nackt bis zum Gürtet herab, umher, das Haupt verhüllt, um unbekannt zu 
seyn; sie hatten Fahnen, trugen brennende Kerzen und Geißel, mit denen sie 
sich blutig schlugen und sangen dabei heilige Lieder; sie wanderten von Stadt 
zu Stadt, von Kirche zu Kirche und im Lande umher, viele wälzten sich im 
Kothe oder Schnee, und dies geschah von Einer Schaar gewöhnlich durch 
33 Tage. In Italien fingen diese Züge an, um 1262 kamen sie auch nach 
Oesterreich; dabei wurde mancher Unfug getrieben, sie behaupteten irrige Lehren, 
sprachen sich selbst einander von den Sünden los u. s. w. Zuerst staunte man 
diese Leute an, dann aber wurde dieser Raserei durch Spott und Beschimpfung, 
ja durch Todesstrafen und fürchterliche Martern ein Ende gemacht! 1). 
 Eine schreckliche Erscheinung in jenen Zeiten war das kirchliche I n- 
terdikt; da ertönte keine Glocke, die Kirchen waren geschlossen, kein Gottes¬ 
dienst wurde gefeiert, keine Prozession, kein Leichenbegängniß ward mit den son¬ 
stigen kirchlichen Ceremonien und Gebeten vorgenommen, Todesstille herrschte. 
Nur die Taufe neugeborner Kinder und die Reichung der Sakramente für 
Sterbende waren gestattet. Es war eine fürchterliche Waffe nach den religiösen 
Ansichten jener Zeit, es traf aber Schuldige und Unschuldige zugleich, 
wurde von Päpsten und Bischöfen wegen Verbrechen und Laster selbst Einzelner 
über ein ganzes Land, oder über Städte, Orte und auch einzelne Personen ver¬ 
hängt 2); doch wurde es nicht immer von allen Priestern, noch ganz strenge 
beobachtet, es konnte auch oft kaum seyn. Ein solches großes Interdikt wurde 
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1) Chron. austral. apud Freher, t. I. p. 461. Kurz ,Oesterreich unter Ottokar und Albrecht, 
I. B. II. S. 159. 
2) Kurz, III. S. 426 u. s. w., um 1250 - 1254, da sprach z. B. der Bischof Berthold 
von Passau den Bann aus gegen den Herrn von Pertoldesdorf, der das Kloster Baumgarten¬ 
berg in den Zehenten beeinträchtigte.
	        
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