Volltext: Geschichte des Landes ob der Enns. Erster Band (Erster Band 1846)

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Eine sehr alte traurige Sage gibt die Veranlassung zur Stiftung jenes 
Klosters folgendermaßen an: Es war einst in jener Gegend nur dichte Wal- 
dung und Eber hau'ten in derselben; Thassilo und sein Sohn Günther 
liebten sehr das edle Waidwerk. Zur Winterszeit jagte dieser einst in der Ge¬ 
gend, wo nun Kremsmünster steht, und verfolgte einen gewaltigen Eber, der 
sich waldeinwärts flüchtete. Er entfernte sich nun sehr weit von seinem Jagd¬ 
gefolge, erreichte das Wild und erlegte es; allein dieses hatte ihm noch eine 
große Wunde am Fuße beigebracht, woran er sich verblutete, und so blieb er todt 
neben dem Eber liegen. Da er zu lange ausblieb, suchten ihn Thassilo und das 
Gefolge, es erschien ihnen ein weißer Hirsch mit leuchtenden Flämmchen auf 
seinem Geweihe, dem sie erstaunt nachfolgten. So kamen sie zu Gunrher's 
Leiche hin, zum Platze, wo noch jetzt der Teich gezeigt wird, der seinen Namen 
trägt und wo sein Denkmal sich befindet. Thassilo beschloß nun zur Seelenruhe 
des Verstorbenen ein Kloster zu Ehren des Heilandes zu bauen unb vollführte 
es auch. 
Historisch begründet ist jedoch diese Sage nicht, Thassilo's Sohne und 
Tochter sind aus der Geschichte so ziemlich bekannt, unter ihnen ist kein Günther 
zu finden, auch nicht in dem sehr alten Verzeichnisse der Herzoge von Baiern 
sammt Gattinnen und Kindern im Todtenbuche von St. Peters; möglich ist 
es jedoch, daß Günther ein Verwandter oder Liebling Thassilo's war, und ein 
solches Schicksal hatte2). 
Die ersten zwölf Mönche kamen von Nieder-Attah (Altaha inferior), 
in Baiern am linken Ufer der Donau gelegen, ihr Abt hieß Fater oder Fa- 
terikus (wenn es nicht etwa eine Uebersetzung von abbas Vater ist), und 
sie begannen nun ihre Thätigkeit zu entwickeln, zum großen Wohle der näheren 
und ferneren herumliegenden Gegend. 
Daß damals auch mehrere Kirchen und Pfarren in unserem Lande gewesen 
sind, ist wohl ohne Zweifel; der religiöse Thassilo, wie schon sein Vorgänger 
Herzog Otito, hatten gewiß dafür gesorgt; allein in den so wenigen Nachrichten 
und Urkunden jener Zeit werden sie nicht erwähnt. Kirchen waren übrigens in 
den Klöstern Kremsmün ster und Mondsee, zu Lauriacum und St. 
Florian, ehe sie zerstört wurden; ferner wird in der Urkunde von 777 eine 
Kirche am Sulzbache bei Hall erwähnt. Graf Machelm zu Wels hatte wohl 
auch wenigstens eine Kapelle, selbst das Portale der Stadtpfarrkirche deutet auf 
-------  
1) Chron. novissimum pag. 176. Filz I. c. S. 45, 46. 
2) Diese Sage wurde schon von Aventin und Mabillon bezweifelt und bestritten — in Pach- 
mayr's Annalen von Kremsmünster pag. 860 - 867 wird eine Vertheidigung derselben ge¬ 
liefert.
	        
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