Volltext: Geschichte des Landes ob der Enns. Erster Band (Erster Band 1846)

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gionsformen flossen in Rom zusammen, welches gleichsam ein gemeinschaftliches 
Pantheon ward 1), oder, wie Tacitus sagt, eine Stadt, wo alles Schändliche 
und Gräßliche sich zusammen findet und gefeiert wird2). Ueberhaupt war bei den 
Römern Religion hauptsächlich mit dem Staate und der Verfassung verbunden, 
kein öffentliches Geschäft wurde ohne Anrufung der Götter und ohne Opfer be¬ 
gonnen, sie war die Stütze der Verwaltung, das Mittel, die Bürger zum Ge¬ 
horsam und zu den schwersten Opfern zu bringen, sie zur Liebe zum Vaterlande 
zu begeistern, wurde aber auch oft genug zu schädlichen Staatszwecken, zu den 
ungerechtesten und willkürlichsten Maßregeln gegen Bürger und fremde Na¬ 
tionen mißbraucht. Was in politischer Hinsicht gut schien, wurde in Rom 
benutzt und angewendet; daher sie auch, um überwundene Völker sich geneigter 
zu machen, ihren Kultus schonten und duldeten (die ärgsten Verzerrungen aus¬ 
genommen, wie z. B. die Menschenopfer in Gallien), ihre Götter ehrten und 
selbst in ihre Religion aufnahmen, um so dieselben zugleich zum Dienste der 
römischen Gottheiten geeigneter zu machen. Dies war nun auch im Norikum 
der Fall; die Römer hatten die Kelten nicht ausgerottet und eben so wenig 
vernichteten sie gewaltsam ihren Kultus und ihre Priesterschaft, Beides finden 
wir noch zur Römerzeit. Der Hauptgott der Noriker, Be len, wurde noch 
immer hoch verehrt, sowohl von ihnen als den Römern selbst, zu Aquileja war 
sein größter Tempel, dort sein Orakel, welches auch den Untergang des Kaisers 
Maximinus voraussagte3); man fand aus jener Zeit einen Denkstein, »fonti 
Beleno” geweiht, wahrscheinlich einst an einer eisenhaltigen Heilquelle ihm zum 
Danke errichtet, weil er zugleich der Gott der Heilkunst war, von dem auch das 
Kraut Belinuncia (Bilsen- oder Belenskraut) den Namen hat. 
Es erscheinen auch in jenen Zeiten, besonders im norischen Alpenlande, 
Druiden, Barden, Druidinnen, matres angusiae, Alrunen 4), und so wie es 
im benachbarten Pannonien berühmte Zeichendeuter und Wahrsagerinnen gab, 
so war dies wohl auch noch in Norikum der Fall, obschon sie nicht ausdrücklich 
erwähnt werden. Doch der immerwährende Umgang mit den gebildeteren Rö¬ 
mern , der Anblick ihrer schönen Tempel, ihre reiche Götterwelt, die lieblichen, 
wenn auch oftmals unsittlichen Mythen derselben, zogen die Noriker nach und 
nach zur Religion der Römer hin, und die Verschmelzung deS Römischen mit 
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1) Arnobius adversus gentes VI. Roma cultrix numinum cunctorum, 
2) Tacitus annales XV. 44. 
3) Herodianus lib. VIII. c. 3, da er von der Belagerung Aquileja's durch Manmin spricht: 
Nonnulla quoque oracula ferebantur patrii cujusdam numinis victoriam promittentis, B e l e m 
vocant indigenae magnaque cum religione colunt, Apollinem interpretantes. Auch Julii l 
tolini Maximini duo p. 146. Paris 1620. Ankershofen I. Heft, Erläuterungen S. 60. 
4) Muchar's Norikum n. 32 - 35 Gruter p. 90 n 11. 
Pritz Gesch. v. Oberöst. I. 
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