Volltext: Die Cecho-Slaven [Band 8]

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Freiherr v. Helfert. 
Wie sieht es aber heute in diesem Stücke aus? Und ist es 
ein Fortschritt im Charakter und in der Bildung zu nennen, wenn 
es nicht mehr so aussieht? wenn sich alle so eben gestellten Fragen, 
die man Goethe gegenüber mit einem entschiedenen Nein beantworten 
muß, heute ein ebenso entschiedenes Ja gefallen lassen müßen? 
Damals, im Jahre 1827, begann die böhmische Literatur ihre 
ersten Kräfte zu üben. Wenige Jahre früher hatte Goethe's hoch 
verehrter Freund Graf Kaspar Sternberg gemeint, allenfalls für 
volksthümliche Schriften belehrenden und sittlichenden Inhaltes 
werde sich die böhmische Sprache verwenden lassen. Heutzutage 
ist das böhmische Volk, die böhmische Sprache und Literatur weit 
über die Stadien jener Anfänge hinaus, heutzutage kann nur ein 
Unwissender oder ein absichtlich Übelwollender an ihrem Berufe 
und an ihrer Befähigung zweifeln, den edlen Wettkampf mit den 
anderen Cultur-Nationen um die höchsten Errungenschaften geistigen 
Wissens und Könnens einzugehen. Allerdings nicht mit gleichen 
Kräften! Quantitativ wird sich ein Sieben-Million en-Volk nie mit 
einem Siebzig-Millionen-Volk messen können! Aber Wissenschaft 
und Bildung sind keine Quanta, sondern Qualia. 
Aus der früheren Darstellung hat der geneigte Leser ersehen, 
mit welch großem Übelwollen seitens der Regierungsbehörden die 
aufstrebende böhmische Literatur in wiederholten Zeiträumen, vor 
1848 und dann 1850 bis 1861, zu kämpfen hatte. Dieses Übel 
wollen ist nun großentheils verschwunden, ist jedenfalls, wo es 
bei den mittleren und untergeordneten Organen noch vorhanden 
sein sollte, durch das Ansehen und Beispiel einer erleuchteten 
Central-Verwaltung daniedergehalten. Aber etwas anderes ist an 
die Stelle getreten, das in dem gegenwärtigen Momente die größten 
Hindernisse und Schwierigkeiten bereitet: die Scheelsucht und Lieb 
losigkeit derjenigen die mit den böhmischen Schriftstellern, nach
	        
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