Volltext: Graf Stefan Tisza

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geständnissen oder mit einer formellen Zweiteilung der Reichs- 
bank begnügen. 
Auch, ist diese Opposition der Unabhängigen aus den 
heterogensten Elementen zusammengesetzt. Kaum war der 
alte Kossuth unter der Erde, da berief man schon seinen Sohn, 
der bis zu fünfzig und einigen Jahren das Brot der Verban¬ 
nung mit dem Vater teilen mußte, als eine Art unabhängigen 
Reklamepolitiker in die Heimat zurück. Franz Kossuth, der 
bislang als biederer Ingenieur tätig war und für Politik auch 
nicht das mindeste übrig hatte, sollte sich nun plötzlich — als 
Erbe eines volkstümlichen Namens — zum aneifernden Vor¬ 
stand der Linksbewegung aufraffen und der Partei klare 
Kampfziele weisen. In der Folge gehörte aber Kossuth jun. 
zu denjenigen in der Unabhängigkeitspartei, die noch am 
ehesten mit sich sprechen ließen. Der einzige Quell seiner 
Unabhängigkeit war die Pietät für den Vater, seiner inneren 
Veranlagung nach neigte er eher einer konservativen Gesin¬ 
nung zu, doch andererseits schien er auch nicht kontemplativ 
genug, um sich wegen solcher Widersprüche hamletschen Zwei¬ 
feln hinzugeben. Bei weitem radikaler gabärdete sich Gabriel 
Ugron, der seine eigene kleine Extrempartei bildete. Ugron 
schrak in Verfolgung seiner ehrgeizigen Oppositionsprojekte 
auch vor einer „Außenpolitik auf eigene Faust“ nicht zurück 
und paktierte mit französischen Politikern. Hinter Kossuth 
aber standen Illusionisten, Schreier und Geschäftsleute, standen 
Liberale und Erzklerikale, Feudale und Demokraten in buntem 
Durcheinander.* Bei einer größeren Homogenität der Personen 
und Ziele hätte sich das dubiose Kampfmittel der Obstruktion 
ganz gewiß erübrigt. 
Schlimmer aber als das freimütige Bekenntnis zur staat¬ 
lichen Unabhängigkeit galt in Tiszas Augen die unberechen¬ 
bare Mittelstellung zwischen 1867 und 1848, wie sie die aus 
der gemäßigten Opposition zur „Nationalpartei“ gewordene 
Gruppe um den Grafen Albert Apponyi verkörperte. Hier be¬ 
rührten sich in der Tat die allergrößten wirtschaftlichen, staats¬ 
rechtlichen und weltanschaulichen Gegensätze. Apponyi selbst 
stellt einen eigenartigen Zwischenfall des Konservativen und 
Portschrittliehen dar, der die verwirrenden Verschachtelun¬ 
gen und Windungen seiner Gedankengänge durch glanzvolle 
oratorische Eingebungen zu überwölben weiß und der sich 
später gern damit brüstet, der einzige Politiker auf 67er Grund¬ 
lage zu sein, der puncto Heeresforderungen — aus „national- 
Erönyi: Graf Tisza. 
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