Volltext: Graf Stefan Tisza

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letzte Fahrt nach Geszt an, um in der Familiengruft beige¬ 
setzt zu werden. Der pietätslose Lärm heimkehrender Solda¬ 
ten, die auch nicht die mindeste Rücksicht auf den mitfahren¬ 
den Sarg und die trauernden Angehörigen nehmen, ja sich 
verschiedentlich in roh-abfälligen Bemerkungen ergehen, ge¬ 
staltet die Reise für die Begleitung des Toten zu einem herz¬ 
zerreißenden Erlebnis. Daheim, in Geszt , empfängt die 
Trauernden eine fremde, feindselige Welt. Von schmerzlicher 
Ergriffenheit kaum irgendwelche Spur. Die alte, erprobte, von 
der Familie stets gütig und generös behandelte Dienerschaft 
verkriecht sich, um nicht dem vergeltenden Zorn der ihr 
feindlich gesinnten Dorfbevölkerung ausgesetzt zu sein, deren 
Kinder bis zuletzt von der Familie Tisza ausstaffiert worden 
sind. Die überwiegende Dorfmehrheit hält sich von dem schlich¬ 
ten Kondukt abseits. Ein Bauernbursche, den Tisza wiederholt 
Zeichen seines Wohlwollens fühlen ließ, bringt die Kirchen- 
glocke gewaltsam zum Schweigen. Es ist das eine hastig-ver¬ 
stohlene, schmuck- und prunklose Bestattung, ohne jeden Rück¬ 
blick auf die Kämpfe und Schöpfungen eines ganz der Öffent¬ 
lichkeit geweihten, sturmbewegten Lebens, abgeschlossen durch 
ein kurzes, farbloses Gebet, das an Schwung und Tiefe weit 
hinter den Worten zurückbleibt, mit denen Tisza im Sommer 
1917 seine beiden gefallenen Soldaten an der russischen Front 
parentierte. Welch erschütternder Gegensatz zu der gewaltigen 
Teilnahme, mit der man fast zur gleichen Zeit andere Tote der 
politischen und literarischen Welt zu Grabe trägt, und zu der 
Innigkeit, mit der der heimgegangene Gutsherr ein Leben lang 
an Land und Leuten der Geszter Heimat hing! 
Eine abergläubige Furcht hindert die Menschen im Um¬ 
sturzfieber der nächsten Monate daran, den Namen Tisza auf 
die Lippen zu nehmen. Selbst derjenige Teil der Presse, der ihm 
während langer Jahre stets begeisterte Gefolgschaft geleistet 
hat, verleugnet ihn nun. Das feindliche Verhalten der Ämter 
und Behörden hält noch eine geraume Zeit an, die Post weigert 
sich, die in Budapest hergestellten Traueranzeigen anzuneh¬ 
men, um sie nach der Provinz zu befördern, selbst die in Geszt 
weilende Witwe empfängt sie erst nach einigen Monaten. Als 
dann der persönliche Haß im Gewühl neuer, formloser Kämpfe 
verfliegt, scheint zugleich auch die ganze Gestalt dem geisti¬ 
gen Horizont einer ziel- und ideallos gewordenen politischen 
Gilde entrückt. Ihre Heraufbeschwörung wäre Geisterspuk. 
Presse und Parlament enthalten sich jeglichen Nachrufes. Von
	        
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