Volltext: Graf Stefan Tisza

3. 
JUGENDJAHRE 
„Noblesse oblige! Wer dank seiner 
günstigen Lebenslage von den Selbst¬ 
erhaltung skämpfen verschont bleibt, hat 
sich auch um die Leiden der anderen 
ein wenig zu kümmern.“ 
Während der kurzfristigen Tagung des Parlaments, in 
dem „Adreß“- und „Beschlußpartei“ vergeblich um die neue 
Verfassung ringen, entschuldigt am 22. April 1861 der junge 
Vizepräsident des Hauses, Koloman Tisza, sein Fernbleiben 
von der Sitzung mit der Geburt eines Sohnes. In dem gemüt¬ 
lichen Tone, der damals für den Verkehr zwischen den poli¬ 
tischen Gruppen bezeichnend ist, wird dem glücklichen Vater 
sogleich ein herzliches Gratulationsschreiben zugestellt, mit 
einem besonderen Gruß an den kleinen „Vizepräsidenten.“ 
Stefan ist das erste Kind Koloman Tiszas und der Gräfin 
Ilona Degenfeld-Schomburg nach kaum einjähriger Ehe. 
Durch die Mutter sollte das kommende Geschlecht neues Blut 
von seiten einer historischen Ahnenreihe empfangen. Deutsches 
Wesen trägt nunmehr zur Vertiefung und Variierung der 
familiären Anlagen bei. Die Degenfelds sind ein altes schwä¬ 
bisches Geschlecht, als dessen hervorragendster Sproß sich 
Freiherr Christoph Martin von Degenfeld im Dreißigjährigen 
Kriege vorerst unter Tilly und später unter Gustav Adolf, 
besonders in den Schlachten von Nürnberg und Lützen, aus¬ 
zeichnet. Er weilt dann vorübergehend auch an dem Hofe des 
Franzosenkönigs Ludwigs XIII. und kämpft zuletzt in vene¬ 
zianischem Dienst gegen die türkische Armee. Seine Tochter, 
die „Raugräfin“, die in morganatischer Ehe mit dem Kur¬ 
fürsten Karl Ludwig von der Pfalz vermählt ist, inspiriert 
auch die Literatur durch ihr abenteuerliches Leben. 
Die Schomburgs figurieren in älteren Urkunden als „Schöm¬ 
berg“ oder „Schönberg“, und ihr berühmtestes Mitglied ist
	        
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