Volltext: Graf Stefan Tisza

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und hiebei einer stärkeren ; Akzentuierung der ungarischen 
Sonderstaatlichkeit gewidmet hat, finden nur geringe Aner¬ 
kennung. Hingegen werden immer wieder neue Beschwerden 
über die Behandlung ungarischer Soldaten durch tschechische 
Offiziere und sonstige Mißbräuche in der Armee eingebracht, 
auch gegen die Nationalitäten erheben sich chauvinistische 
Anklagen, man findet am Wirtschaftsgebaren der Regierung 
allerhand auszusetzen. 
Einen besonderen Beunruhigungsanlaß bieten die wirt¬ 
schaftlichen Ausgleichsverhandlungen mit Österreich. Für die 
Erneuerung der 1917 ablaufenden Zollunion müssen recht¬ 
zeitig Vorkehrungen getroffen werden, und dies umso eher, als 
die Schaffung eines neuen, engeren Vertragsverhältnisses mit 
Deutschland, das im österreichischen und ungarischen Interesse 
gleicherweise liegt, eine vorhergehende Verständigung zwischen 
den beiden Staaten der Donaumonarchie zur Voraussetzung 
hat. Im Laufe der Verhandlungen tritt Tisza mit einer Zähig¬ 
keit für ungarische Interessen ein, die den österreichischen 
Unterhändlern den höchsten Respekt einflößt und durch die die 
Verhandlungen wiederholt zu scheitern drohen. Er schrickt 
auch vor den äußersten Konsequenzen nicht zurück, stellt die 
Demission der ungarischen Regierung in Aussicht, um seinem 
Standpunkt in jedem Belange Geltung zu verschaffen. Die enge 
Vertrautheit Tiszas mit sämtlichen Phasen des Verhandlungs¬ 
stoffes weckt allgemeine Verblüffung und Verwunderung. Als 
einen grotesken Zwischenfall dieser Unterhandlungen erwähnt 
der österreichische Hauptdelegierte Dr. Spitzmüller in seinen 
Memoiren die Äußerung eines Tarifsachverständigen, der 
gegen Tiszas selbst auf die kleinsten Details sich erstreckende 
Sachkenntnis unter allgemeiner Heiterkeit förmlichen Protest 
einlegte. Krampfhaft klammert sich Tisza an jeden kleinen 
Vorteil, der sich nur für die ungarischen Interessen heraus¬ 
schlagen läßt. Immerhin stimmt er dem österreichischen Stand¬ 
punkt, den Ausgleich für eine längere Dauer zu treffen, bis zu 
einem gewissen Grade bei, ist bereit, sich für zehn Jahre zu 
binden, während man sich österreichischerseits allerdings auf 
zwanzig Jahre festlegen möchte. Aber gerade dieser Punkt 
versetzt die ungarische Opposition wieder in Alarmstimmung. 
Apponyi protestiert dagegen, daß man bei der gänzlich undurch¬ 
sichtigen Wirtschaftslage der folgenden Jahre ein Abkommen 
für längere Zeit treffe, und Kärolyi wirft sogar just in diesen 
schweren Zeiten, in denen die wirtschaftliche Kooperation
	        
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